Jello Biafra sagte einmal in einem Interview, dass Punk schon deshalb sterben musste, damit er irgendwann wiedergeboren werden kann, statt als untotes Museumsstück in den Ramschregalen der Zuspätgekommenen zu verrotten. Steven Ellison aka Flying Lotus scheint nicht nur einen sehr positiven Blick auf die Vergänglichkeit allgemein zu haben – auch scheint er ganz ähnliche Ansichten zu der Musikart zu haben, die ihn als Großneffe der berühmten Coltranes vielleicht am meisten geprägt hat, nämlich den Jazz. Nie merkte man das dem Hiphop- und Elektronik-Producer derart an als auf seinem fünften Album „You’re dead!“, bei dem Jazz-Strukturen nicht mehr nur integriert sind, sondern deutlich im Vordergrund stehen. Zwar wird Jazz hier nicht kategorisch neu erfunden, in der kollagenartigen Fusion mit geschliffenem Noise und markenten Rap-Kaskaden bekommt er jedoch eine vitale Unmittelbarkeit, die heute Seltenheitswert hat.
Der Reiz, die furiose Raserei, die Ellison hier in nur knapp vierzig Minuten mit zahlreichen Brüchen, Tempowechseln und thematischen Sprüngen durchexerziert, in der Sprache zu imitieren, ist groß und einigen Kollegen sicher mehr aus Versehen passiert, als dass es Absicht gewesen wäre. Was meist dabei untergeht, ist eine angemessene Würdigung von Ellisons äußerst feinsinnigem Umgang mit filigranen und oft diffizil verarbeiteten Klangelementen, die sich in der Tour de Force aus groovigen Piano-Bass-Drum-Arrangements und teilweise harscher Elektronik immer wieder aus der Latenz herauswagen und wie eine Fontäne an die Oberfläche sprudeln. Muckerposen und technische Finessen wirken dabei keine Spur großkotzig, vielleicht weil das konstante Zitieren, Zerhacken und Zweckentfremden von bekannten musikalischen Phrasen unter Ellisons Händen stets etwas Frisches und Anarchisches hat.
Es gibt zahlreiche Momente, in denen Analoges und Digitales mit dem klassischen Jazz-Instrumentarium, mit Streichern und den mal hartgesottenen, mal selbstentblösenden Gesangs- und Sprechbeiträgen von Gästen wie Kendrick Lamar, Snoop Dogg und Thundercat zu einer perfekten Legierung geraten. Doch schon im nächsten Moment könnte man beinahe vergessen, dass es sich um mehr als Jazz handelt, so unbemerkt übernehmen erdige Bässe, groovige Drummrolls und ein virtuoses Piano das Ruder im Alleingang. Doch „You’re dead!“ ist nicht nur ein Album über die Wiedergeburt des Jazz, dessen Medium die Message ist. Folgt man den Texten, wird man an vielen Stellen Zeuge sensibler Reflexionen über Kontigenz und Kontinuität alles Lebenden, deren Grundtenor eine fast heidnische Spiritualität anklingen lässt.
Dennoch, Jazz ist tot, es lebe der Jazz. So abgegriffen die Formel klingen mag, steht sie doch keinem so gut zu Gesicht wie Flying Lotus mit seinem neuen Album nebst Titel. Das scheint auch Herbie Hancock so zu sehen, der das Werk durch seinen Beitrag am Fender-Rhodes adelt und beteuert, Ellison wäre ein Jazz-Avantgardist nach Miles Davis’ Geschmack gewesen.
Label: Warp