SELENE HELIOTROPE: Monorama

Ein stets wiederkehrendes, tastendes Umkreisen von Motiven, Gedanken und Zuständen scheint das Prinzip zu sein, das sich nicht nur in der musikalischen Struktur, sondern auch in der inhaltlichen Ausrichtung des Albums “Monorama” von Selene Heliotrope spiegelt. Ursprünglich 2011 bei Reverb Worship erschienen, wird das Werk nun erstmals zum Download erneut zugänglich gemacht – ergänzt um den Bonustrack “Alexandria”, der aus der Arbeit an einem bisher unvollendeten Nachfolgealbum stammt.

Selene Heliotrope ist ein Duo-Projekt von Alan Trench und der rätselhaften Lisa, die wohl in der Schweiz ansässig ist und auch am kürzlich erschienenen Album von The Hausfrauen Experiment beteiligt ist. Beide bringen ihre jeweiligen Hintergründe und Erfahrungen – Trench unter anderem bekannt durch Temple Music, Howling Larsens, Orchis und die Black Lesbian Fishermen – auf eigensinnige Weise in das Projekt ein. Der Bandname selbst enthält bereits eine deutliche Spannung: Mond und Sonne, Dunkelheit und Licht, das eine umkreist das andere, und beide tauchen in dieser Musik nicht als bloße Symbole, sondern als formgebende Kräfte auf.

“Monorama” bestand ursprünglich aus acht Stücken, die lose miteinander verbunden sind, doch dies weniger als Erzählung, sondern eher als gereihte Szenenfolge oder wie Fragmente eines größeren Zusammenhangs, der ungenannt bleibt. Musikalisch bewegt sich das Album zwischen experimenteller Elektronik, Folk-Ansätzen, rituellen Momenten, artifiziellen Klängen, die an manipulierte Spieluhren oder modifizierte Tasteninstrumente erinnern, und oft schwer greifbaren Gesangsspuren. Vieles scheint sich in Zwischenzuständen zu bewegen, fragmentarisch und schattenhaft.

Der Opener “Sabbat” beginnt mit einem dröhnenden, vielfarbigen Szenario, das sich bald zu rhythmischen Wellen aufbaut. Gitarren treten auf, erst noisig, dann fast songhaft, während Lisa in ihren Vocals eine Szenerie evoziert, die eher kontemplativ als erzählend wirkt – ein dunkles Tableau um ein seltsames Gewächs und dessen Umgebung, das sich im Kopf entfaltet. Auch später arbeitet das Duo oft mit Brüchen. “Blood” wirkt wie ein zersplitterter Apparat, in dem sich verspielte Elektronik und schweres Grollen überlagern. Die Stimme Lisas bleibt ernst, der Text jedoch kaum greifbar. “Janus” orientiert sich an der ambivalenten Symbolik des gleichnamigen Gottes. Die musikalische Form folgt dem Prinzip der offenen Frage: Der minimalistische Aufbau tastet sich in scheinbar gewollter Unsicherheit voran, während aus dem Textfragmenten Fragen hervortreten, die unbeantwortet bleiben.

“Worm” wiederum changiert zwischen kindlich-verspielter Oberfläche und abgründiger Bedeutung: Glockenspiel, Rascheln, ein fast puppenhaftes Klangbild, das jedoch zunehmend aufgeladen wird: Der Wurm, der sich selbst verschlingt, taucht im Text auf und öffnet mythische Assoziationen zum Leviathan, zu Ouroboros und zur Midgarsdschlange, Wesen, die in Trenchs Werdegang schon anderweitig eine Rolle spielten. In “Silver” dominieren wabernde Klangflächen, eventuell Harmonium, durchzogen von flüsternden, schwer zu lokalisierenden Elementen. Die Helligkeit des Titels wird musikalisch eher als Spiegelung eingefangen denn in seiner vollen Leuchtkraft – das Silber bleibt im Hintergrund, verhüllt von warmen Tönen.

Mit “Esbat” wird das rituelle Element deutlicher: Wind, monotone Beats, fragile Klangfragmente, die sich allmählich verdichten. Alan Trenchs rezitierende Stimme greift hier das Eröffnungsstück ein weiteres Mal auf. “Golem” zählt zu den expressiveren Stücken des Albums. Kratzende, lärmende Oberflächen, hochtönende Verzerrungen und flackernde Stimmen erzeugen ein Gefühl des Aufbaus, der Materialisierung, so als entstünde hier dem Titel entsprechend etwas. “Curtain” bildet den ursprünglich letzten Track. Auch hier dominieren verfremdete Stimmen und eine cinematische Tiefe. Lisas Stimme, mehrfach geschichtet, spricht den Hörer direkt an, während orchestrale Flächen eine ungewisse Öffnung andeuten: Es geht um Freiheit, aber ohne Erlösungspathos. Alles bleibt tastend, fragend, wird nie affirmativ.

Der Vorhang bleibt diesmal allerdings noch für ein paar Minuten offen und der nun hinzugefügte Bonustrack “Alexandria” nimmt schließlich einen deutlich anderen Ton an, wirkt entrückter, strukturierter, zugleich aufgewühlter. Lisa rezitiert über eine Stadt, in der – einst – hermetische Lehren und gnostische Strömungen aufeinandertrafen, bevor die legendäre Bibliothek in Flammen aufging. Die Musik greift auf Rhythmen zurück, die an alte elektronische Avantgarden erinnern, doch bleibt auch hier eine Spannung erhalten zwischen Textur und Bedeutung, zwischen Klarheit und Verschleierung.

“Monorama” ist ein Album, das nicht unmittelbar verstanden werden muss. Es ist durchzogen von Wiederholungen, Überlagerungen und Andeutungen und offenbart eine Musik der Zwischenräume, die sich oft der Eindeutigkeit verweigert. In seiner wiederveröffentlichten Form wirkt es nicht nur wie ein Fundstück aus einer bestimmten Zeit, sondern auch wie eine Öffnung in eine andere: ein Blick auf ein Projekt, das von Anfang an mehr als ein einmaliger Versuch war, und dessen Spuren in anderen Arbeiten der Beteiligten fortwirken.

Und wer weiß, vielleicht erscheint das seit langem geplante “The Death Album”, das bislang eher als Ideensteinbruch Verwendung fand und so eine geisterhafte Existenz anzunehmen droht, ja doch noch? Ich wäre jedenfalls gespannt. (U.S.)