SARY MOUSSA: Wind, Again

Es gibt Musik, die nicht nach Einheit strebt, sondern gerade aus dem Zusammenprall unterschiedlicher Elemente ihre Spannung bezieht. “Wind, Again”, das neue Album von Sary Moussa, das der hier als Sazspieler auftretende Musiker zusammen mit einigen der großen Namen der libanesischen Experimentalszene – Julia Sabra (Piano, Hammond-Orgel), Paed Conca (Klarinette), Abed Kobeissi (Buzuq), Sary Moussa (Saz), Fadi Tabbal (Gitarre) und Pascal Semerdjian (Schlagzeug) – eingespielt hat, ist ein Beispiel für ein Werk, das diese Spannungen nicht glättet, sondern hörbar macht, ohne dabei in Beliebigkeit oder reines Experimentieren abzugleiten.

Auf sechs Stücken bringt Moussa all diese westlichen und vorderasiatischen Instrumente in Kontakt mit elektronischer Bearbeitung und struktureller Verdichtung. Doch anstatt daraus ein harmonisierendes Patchwork zu machen, entwickelt er eine Musik, die sich durch Reibung definiert. Die eingesetzten Instrumente bleiben hörbar sie selbst, behalten ihre eigene kulturelle Schwere und begegnen sich dennoch auf Augenhöhe. Der Fokus liegt weniger auf einer Versöhnung der klanglichen Welten, sondern auf deren möglichem Nebeneinander.

Ein Schlüsselstück ist das eröffnende “I Will Never Write A Song About You”, das Julia Sabras melancholisches Pianospiel, Paed Concas spröde Klarinette und die Buzuq von Abed Kobeissi in ein dichtes Szenario aus Schichtungen, Rückkoppelungen und subtilen Steigerungen überführt. Moussa schreibt dazu: “Es ist, als ob wir alle unterschiedliche Geschichten erzählen und ich habe an dem Faden gezogen, der sie zusammenhält”. Dass sich dabei Elemente durchkreuzen, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben – das schleifende Dröhnen, das feierlich anmutende Orgelspiel, das quietschende, fast menschlich klagende Klarinettenmotiv – ist kein Widerspruch, sondern gestalterisches Prinzip.

Im Zentrum steht dabei eine Form von musikalischer Überlagerung, die sich in “Everywhere at Once” besonders eindrucksvoll entfaltet. Zunächst dominiert ein tiefes Orgelbrummen, dann mischen sich Beckenrauschen, fragile Elektronik und eine Art von pseudo-organischer Klangvielfalt ein, die an ein sehr entferntes Vogelkonzert erinnern mag. Spannung und Ernsthaftigkeit greifen ineinander, besonders wenn Drummer Pascal Semerdjian für Momente mehr Druck aufbaut – fast, als stünde ein Ausbruch bevor. Doch der bleibt aus; stattdessen verschiebt sich der Fokus zurück auf die Orgel, ohne dass der dramatische Impuls verlorengeht.

Stücke wie “White Dust” oder “Violence” zeigen, wie viel sich in Wiederholung und Oberflächenstruktur verbergen kann: Ruppiges Saitengeratter, kaum zur Ruhe kommende rhythmische Impulse und sich langsam verwischende Linien schaffen einen Eindruck von Bewegung ohne offensichtliche Richtung. Gerade in “Violence”, das auf den ersten Blick fast statisch wirkt, entpuppt sich mit der Zeit eine komplexe, hypnotische Dynamik, eine leise, aber stetige Unruhe. Der vielleicht persönlichste Moment findet sich in “Everything Inside a Circle”. Moussa kombiniert darin Piano, verfremdete Stimmen und generative Elektronik zu einer Mischung, die, wie es berichtet, eine Kindheitserinnerung an das Musikhören mit der Mutter reflektiert. Die Nähe zum Vertrauten bleibt angedeutet, das Emotionale ist eingebettet in Strukturen, die sich jeder eindeutigen Zuschreibung entziehen.

Zum Abschluss bündelt “A Storm, A Gift” noch einmal viele der klanglichen Strategien des Albums: vibrierende Dröhnung, aufgescheuchte, fast stimmhafte Klänge, perkussive Splitter und eine Orgel, die diesmal nicht abfedert, sondern das Geschehen mit Nachdruck trägt. Auch hier: kein eruptiver Schluss, sondern ein Nachbeben, ein umso intensiveres letztes Aufflackern. “Wind, Again” ist ein aufwühlendes Album, das sich jeder Form von eindeutiger Lesbarkeit entzieht. Es arbeitet mit Brüchen und Ambivalenzen, mit Erinnerungen, die nicht benannt, sondern klanglich angedeutet werden. (U.S.)

Label: Other People