YAYOBA: Sensory Sensei

Bisweilen liegt die Besonderheit einer Musik weniger in großen Gesten als in der Art, wie kleinste Details ineinander greifen. Schon beim ersten Hören von Yayobas schon vor einigen Monaten erscheinenem Tape “Sensory Sensei” fällt auf, wie stark die einzelnen Bausteine nicht nur nebeneinanderstehen, sondern sich ineinander verschieben und so einen vielschichtigen, oft überraschenden Klangstrom erzeugen. Titel und Musik funktionieren dabei wie zwei Folien, die man übereinanderlegt: erst in der Kombination wird die ganze Bildhaftigkeit deutlich.

Hinter Yayoba stehen Paul Wilson (F. Ampism), Jani Hirvonen (Uton) und Johannes Schebler (Baldruin, und ich nenne von allen dreien nur die wahrscheinlich bekanntesten Projekte), die seit ihrer Gründung u.a. mit modularen Synthies, Perkussion und bearbeiteten Field Recordings experimentieren. Mit ihrem Debütalbum “A Maze Of Glass”, das auf Not Not Fun erschienen ist, haben sie bereits ein deutlich erkennbares Profil entwickelt und viel Aufmerksamkeit in den experimentellen Biotopen dieser Welt gewonnen.

Der Auftakt des Nachfolgerns, “Apocryphal Stories”, tastet sich mit verspielten Synthies, künstlichem Vogelgezwitscher und kernigem Brummen noch suchend voran, beinahe wie ein launiges Justieren am Frequenzregler. Mit “The Burning Of The Desert Seeds” wird die Stimmung entrückter – fließend, ambient, mit einer kaum greifbaren Sopranistin, die immer wieder tremolierend auf der Bildfläche erscheint, ohne je zum Zentrum zu werden. Hier zeigt sich bereits das Prinzip, das sich durch das Album zieht: weniger geschlossene Songs als vielmehr collagierte Sequenzen, in denen Motive gereiht und nebeneinandergestellt werden und der Fokus auf das Marginale gelenkt wird, das manchmal den ganzen Track ausfüllt. “Churning Mind” wirkt wie von innen nach außen gestülpt: rückwärts anmutende Klänge, bimmelnde und quietschende Details, fast wie eine Spieluhr im Traumzustand.

“Mirror Bounce Experience” schlägt rauere Töne an, bleibt aber in seiner comichaften Künstlichkeit quirlig und verspielt. “Born Before” wiederum baut auf gezeitenhaften Intervallen, kombiniert mit tropisch anmutendem Zirpen und Summen – folkloristische Anklänge sind erkennbar, jedoch immer gefiltert durch eine klar künstliche Ästhetik. Das zentrale “The Radiant Glow Of Essence” entfaltet dagegen Pathos im besten Sinne, getragen von Brummen, Glöckchen und orchestral wirkenden Flächen. Spätestens hier zeigt sich, dass das Album nicht nur kleinteilige Spielerei ist, sondern durchaus auch Verdichtung kennt. “Infinite Reflections” wirkt zunächst wie ein kurzes Interludium aus Quaken, Hämmern und Bimmeln, das jedoch organisch in eine fließendere Struktur übergeht.

Sehr kurz, fast skizzenhaft bleibt “Chattering Flower Spirits”, ehe “Dance Along The Pilgrim Path” cinematisch subtile Spannung aufbaut mi Handdrums und orchestralen Andeutungen im Hintergrund. “Wisdom Keepers” betont eine ernstere Seite: ein ambientes Fließen, das dennoch viel Sperriges mitführt, detailreich und verschachtelt. “Corporeal Incarnation Forming” wiederum ist von sumpfiger, aquatischer Atmosphäre durchzogen, in der sich Quaken und Zirpen mit bimmelnden Akzenten verbinden. Zum Abschluss verwebt “Waking-Dream Illusions” tremolierende Klänge, Stimmenreste und ein entrücktes Schweben zwischen Halbwach- und Traumzustand – ein cinematisch wirkendes Finale.

Auffällig ist, wie stark die Titel der Stücke und des Albums selbst die Wirkung der Musik mitprägen. Sie verweisen auf spirituell-mythologische Anklänge, auf Naturbilder, Spiegelungen und Bewusstseinszustände. Begriffe wie “Apocryphal Stories”, “Wisdom Keepers” oder “Corporeal Incarnation Forming” greifen auf ein Vokabular zurück, das religiöse und esoterische Erzähltraditionen anklingen lässt, während andere Wahrnehmung und Selbstbezug thematisieren. Zusammengenommen entsteht so eine Art Rahmenhandlung, die sich wie eine zweite Folie über die Klänge legt – eine semantische Struktur, die die Musik nicht erklärt, aber vertieft. Selbst der Albumtitel “Sensory Sensei” lässt sich in diesem Sinne lesen: ein “Lehrer der Wahrnehmung”, der weniger Inhalte vermittelt, als vielmehr Formen des Hörens und Erlebens anleitet oder sich gar selbst in diesen findet.

Was dieses Album ebenfalls besonders macht, ist seine erkennbare Signatur im Klangcharakter. Nichts ist kantig oder kratzig, alles wirkt geschmeidig geglättet, bunt, quirlig, cartoonhaft und bisweilen verträumt schön. Zugleich aber ist “Sensory Sensei” extrem detailverliebt, die Fülle an kleinen Motiven und die Geschwindigkeit, mit der sie erscheinen, ist beeindruckend. Ob man davon überwältigt oder beglückt wird, mag am eigenen Geschmack liegen. Für den Verfasser dieser Zeilen überwiegt klar die zweite Reaktion: selten hört man Musik, die derart spielrisch-künstlich ist und dabei doch so stimmig wirkt. (U.S.)

Label: Ruralfaune