GRYKE PYJE: Crepuscular Elixirs

Schon die ersten Töne lassen keinen Zweifel daran, dass hier etwas eigentümlich Magisches angerührt wurde. Die Stücke auf Grykë Pyjes aktuellem Longplayer “Crepuscular Elixirs” wirken wie seltsame Gebräue, die zwischen Alchemie und verspielter Geräuschkunst changieren – rätselhaft, manchmal schroff und konsequent von einer schalkhaften Schrägheit durchzogen. Schon der Albumtitel deutet an, dass es um Elixiere geht, die von den beiden Klangkünstlern Jani Hirvonen und Johannes Schebler nicht im gleißenden Licht, sondern in der Dämmerung gebraut werden, im Grenzland zwischen Wirklichkeit und Illusion.

Das kurze Eröffnungsstück setzt gleich in voller Lautstärke ein: chorartige Spuren, orchestrale und verspielte Motive, schrille Akzente und ein leises, vielleicht vom Hörer nur eingebildetes Gemurmel im Hintergrund. Trotz der Dichte zeichnet sich eine Melodie ab, begleitet von vielfältigem Ornament. Der englische Begriff “Cauldron” im Titel bedeutet Hexenkessel, und genau so wirkt diese erste Miniatur: Als ob alles auf einmal brodelt, zischt und sich miteinander verbindet, nur ein wenig kratziger, ungeschliffener als bei Yayoba, mit denen Hirvonen und Schebler ja parallel arbeiten, und von denen ungefähr zeitgleich eine Art Schwesteralbum erschienen ist.

Im zweiten Stück schlägt sich dieses Prinzip in pochenden Rhythmen nieder, dazu blubbernde Sounds, geheimnisvolles Brummen, Klingen und Rasseln. Menschliche Stimmen scheinen auf, manchmal gar eine hochjauchzende Sopranistin, um gleich wieder als Einbildung zu verpuffen. Die Vielzahl der Details erzeugt akustische Täuschungen, bevor das Ganze in einem motorischen Dröhnen mündet. Im Folgenden entfaltet sich ein Kaleidoskop aus knisternden, flammengleichen Klängen, metallischen Sounds, Blubbern, Pfeifen und halbverborgenen folkloristischen Anklängen. Spuren der klassischen elektronischen Avantgarde treten hervor, gelegentlich mit retrofuturistischem Einschlag, der eine entrückte, bisweilen sci-fi-hafte Atmosphäre entstehen lässt. Verspielte Synthie-Passagen wirken launig, dabei bleibt die Musik nie widersprüchlich, sondern entwickelt sich trotz plötzlicher Wendungen organisch weiter.

Dunkles Brummen, Knarren und dröhnende Texturen machen deutlich, dass dieses Album rauer und düsterer ausfällt als das Werk von Yayoba – weniger eingängig, dafür bissiger und überdrehter. Immer wieder entstehen komplexe rhythmische Strukturen, die durch illusionäre Stimmen, hörspielartige Elemente und subtile Instrumentalfarben – etwa eine querflötenähnliche Linie – ergänzt werden. An anderer Stelle tauchen allgemein gerne als “ethno” bezeichnete Trommelmuster auf, die aber rasch von elektronischen Schichten verschluckt werden. Rückwärtspassagen, beschleunigte Spuren und eine Fülle an kleinen Details lassen die Stücke wie eine akustische Wunderkammer wirken, die an Reizüberflutung leidende Zeitgenossen nur mit einer veritablen Dosis Ritalin betreten sollten. Auch aquatisch-elektrisierte Klänge sowie launige Zirkusmelodien und taumelnde, tanzende Rhythmen mit plötzlichen Taktwechseln gehören zu diesem Spektrum.

Was sich durchzieht, ist ein Spiel mit Illusionen: Geräusche wirken vertraut und entgleiten doch wieder, Stimmen blitzen auf, ohne fassbar zu sein. Die Inspiration aus Tierlauten – das Hämmern eines Spechts, das Quaken von Fröschen, das Schaben von Ameisen – wurde hier nicht naturalistisch umgesetzt, sondern zu rhythmischen Grundmustern verfremdet, die als Ausgangspunkte für ganze Miniaturwelten dienen. Daraus entsteht etwas, das von einem Bandcampnutzer als “alien symphonies to the ones that left us here” beschrieben wurde: eine fremdartige, manchmal bissig-launige Musik, die an fiktive Rituale ebenso erinnert wie an akustische Experimente im Labor.

Grykë Pyje – das deutsch-finnische Duo aus Jani Hirvonen (Uton) und Johannes Schebler (Baldruin) – hat in den vergangenen Jahren bereits einiges veröffentlicht und sich mit Alben wie “Collision and Coalescence” oder “Squirlich Stroll” einen respektablen Ruf erarbeitet. Mit “Crepuscular Elixirs” haben sie eine detailreiche, überbordende Arbeit entstehen lassen, die das Spielerische gekonnt mit dem Dunklen verbindet und die Linie ihrer bisherigen Veröffentlichungen konsequent weiterführt, dabei aber noch verschlungener, dichter und eigenwilliger wirkt.

Ein Hexenkessel also voller Blubbern, Brodeln und eigentümlicher Elixiere, die man nicht so schnell wieder aus dem Ohr bekommt. (U.S.)

Label: Artetetra