L’AMBASSADEUR DES OMBRES: Star of Evil

Manchmal tauchen aus Archiven Aufnahmen auf, die nicht nur ein vergessenes Kapitel der Musikgeschichte freilegen, sondern auch ein ganzes Milieu wieder hörbar machen. “Star Of Evil” von L’Ambassadeur des Ombres gehört, ähnlich wie das bereits vor zwei Jahren wiederveröffentlichte “Strike Me If I Shriek” zu diesen Fundstücken: ein Relikt aus den späten Tagen der DDR, das gleichermaßen vom Eigensinn seiner Schöpfer wie vom kulturellen Klima der Zeit erzählt.

Schon das eröffnende Titelstück “Star Of Evil” setzt ein markantes Zeichen: groovige Takte, tiefwummernd, durchzogen von Tremoli. Aus geflüsterten Passagen schält sich ein bluesiger Gesang heraus, der den “bösartigen Stern” beschwört. Diese Mischung war typisch für eine Zeit, in der New Wave nicht nur mit Kraftwerk, Romantik und der Geradlinigkeit des Punk assoziiert wurde, sondern auch Unaufgeräumtes wie groovige, dubbige und bluesige Elemente aufnahm. Dass sich diese Varietät gerade auch in den Undergroundszenen der DDR zeigte, gehört zu den lange unterschlagenen Kapiteln der Geschichte populärer und alternativer Musik.

“In The Soft Nightfall” entfaltet eine schummerige Atmosphäre, getragen von kratziger E-Gitarre, die in einem fast surfrockhaften Solo gipfelt. Trotz des Titels wirkt der Rhythmus aufgeweckter, der Gesang aber bleibt trunkenschwer und verleiht dem Stück eine düstere Note. Im weiteren Verlauf werden so ziemlich alle Register eines experimentierfreudigen und nach allen möglichen und unmöglichen Seiten hin aufgeschlossenen Punk’n’Wave gezogen. Mal mit aufwühlenden Takten und fast lärmigen Gitarren, dann wieder mit Orgelparts, die an Dub erinnern. Handclaps, fatalistische Trommelwirbel, hauchende Stimmen wie aufgeklebte Samples, anrührende Pianoparts im Walzertakt – dazu pochende Percussion, die wie auf Metallplatten klingt. Vieles wirkt dumpf und verrauscht; ob dies Absicht oder technische Gegebenheit war, lässt sich heute kaum sagen. Der Gesang erinnert in seinen abgründigsten Momenten, etwa in “At The Beach”, an einen in Sirup eingelegter David E. Williams in seinen urigsten Momenten.

Triller auf dem Saxophon erzeugen hier und da eine gruselige Spannung. “Neon Neon Neon” und “Wake Up” mit seinem Echo and the Bunnyaen-Feeling wären seinerzeit ein riesiger Mittelfinger in einschlägigen Chartshows gewesen. “And My Sleep Has Gone” wirkt wie eine Pastiche auf einen veritablen Surfrock-Hit. Als Highlight ragt “Star Of Evil / Star Of Pain” hervor – ein monumentaler LoFi-Track, fast brachial, dessen Rhythmus wie in einen rauchigen, funkensprühenden Nebel gehüllt ist, während der Gesang etwas deutlicher hervortritt.

Die Kernbesetzung Joggy Müller und Rene Glofke entstammte der Ostberliner Postpunk-Szene, in deren Umfeld zahlreiche Projekte ineinandergriffen. Aus Sessions mit Taymur Streng entstand zunächst das Mahlsdorfer Wohnstuben Orchester, Glofke gründete mit Mike Sauer und Streng Neuntage Alt, von denen ebenfalls gerade eine Wiederveröffentlichung erschienen ist- Müller spielte später bei Die Vision. 1988 schließlich formierte sich L’Ambassadeur des Ombres, deren Name auf die Comicreihe “Valérian et Laureline” verweist. Dass die durchgehende Düsternis der Songs im Osten als politisch verdächtig galt, verlieh ihnen eine zusätzliche Schärfe.

Die Wiederveröffentlichung auch ihres zweiten Tapes zeigt einmal mehr auch, wie eigenständig und vielgestaltig die Musik im DDR-Untergrund war und bietet einen großartigen Einstieg in den Kosmos einer hochinteressanten Formation. (U.S.)

Label: Tapetopia / Aufnahme + Wiedergabe