MAUD ZEINOUN: For The Waves I Rode / And The Ones That Broke Inside Me

Manchmal ist es nicht das laute Bekenntnis, sondern eher das leise neue Durchleben von Erinnerungen, das von Stärke zeugt. In der Wiederholung von Schmerz und Trost, im Kreisen um das, was entsteht und wieder vergeht, kann Musik zu einem Medium werden, in welchem Sensibilität und Verletzlichkeit ihre ganz eigene Form erhalten.

Maud Zeinouns Debütalbum “For The Waves I Rode / And The Ones That Broke Inside Me” ist, wie man vom Label erfährt, über Jahre hinweg zwischen Erinnerungsfetzen, Rückzügen und plötzlichen Anläufen gereift – eine Sammlung innerer Zustände, festgehalten in sechs Stücken, die zwischen Pop, Elektronik und einem vielschichtigen Ambientrahmen oszillieren. Die in Beirut lebende Sängerin, Songwriterin und Producerin, die ursprünglich aus der Welt des Films kommt, arbeitet hier mit einer spürbar bildhaften Sensibilität: jede Klangschicht, jedes Ein- und Ausblenden wirkt bewusst gesetzt, fast wie eine Einstellung oder eine Schnittmontage.

“Oublie” eröffnet das Album mit hellen, fast orchestralen Schwebungen, die von Stimmen, Säufzern, Vogelrufen und französischer Rezitation durchzogen werden – ein geheimnisvolles Geflecht aus Intimität und Überforderung, das den Hörer unmittelbar in Zeinouns Welt zieht. Doch statt sich in sphärischen Ambientflächen zu verlieren, schlägt das darauffolgende “Constructivism” eine völlig andere Richtung ein: ein federnder Beat, Fingerschnippen, eine energische Snare – alles erinnert an eine Parade aus einer anderen Zeit. Ihre Stimme, digital angehoben und von Hust- und Kichersalven umgeben, kippt zwischen Ironie und Aufbruch. Das folgende “Pleasure Land” greift diesen Rhythmus auf, tanzbar, verspielt, getragen von Vocoderstimme und einer Melodie, die sich langsam entfaltet, als würde Zeinoun prüfen, wie viel Raum sie ihrer Stimme diesmal geben will. “Fighting Wars” verwebt Handclaps, Orgeln und Synthesizer zu einem pulsierenden Gefüge, das an Italo-Disco erinnert, während darin einfache, fast lakonische Worte über Verlust und Bitterkeit mitschwingen. Kurz flackern deutsche Flüche auf – unerwartet, rotzig, komisch, befreiend – bevor alles wieder in die Ordnung des Taktes zurückkehrt.

Mit “We Were Never Forever, After All” nähert sich das Album seinem Höhepunkt: stampfende Rhythmen, Handclaps, schwebende Synthies – die 80er sind hier nicht bloß Referenz, sondern Resonanzraum. Zeinouns Gesang bleibt hier unverfremdet, direkt, getragen von einer Melodie, die zugleich trotzig und verletzlich wirkt. Zeinoun hätte  einen guten Opener für Soft Cell abgegeben. Schließlich bricht “For The Waves I Rode / And The Ones That Broke Inside Me” selbst – der Titeltrack – alles wieder auf: Kinderstimmen, ferne Echos, eine langsam anschwellende, gezeitenartige Synthiefläche, die wie ein Nachhall all dessen wirkt, was zuvor gesagt wurde. Nach dem Tanz bleibt eine Weite zurück, traurig und schön zugleich.

Zeinoun rahmt ihr Werk in einen ambienten Schluss, der die vorausgehende Körperlichkeit neu kontextualisiert: Nicht als Flucht, sondern vielleicht als Erinnerung daran, dass Heilung selten linear verläuft. Zwischen Melancholie und Entschlossenheit, Verletzlichkeit und Kraft formt sie ein Klangbild, das beides zulässt – das Brechen und das Wiederauftauchen. “For The Waves I Rode / And The Ones That Broke Inside Me” ist ein intimes, in sich ruhendes Werk, das zugleich offen und einladend bleibt. (U.S.)

Label: Ruptured