Teresa Riemanns neues Album “Head Shot Shy” beginnt, als wolle es gleich in die Mitte eines schon bestehenden Szenarios gehen – in ein brodelndes, rumpelndes Geflecht aus perkussiven Ausbrüchen und mitreißenden stimmhaften Seufzern, die sich bald zu Worten formen.
Schon der Auftakt “No More Words” zeigt, wie wenig Riemanns Musik zwischen Emotion und Reflexion trennt: Der helle, handdrumartige Klang der Schlagzeugspuren wirkt flink und auf subtile Weise ekstatisch, während ihre Stimme sich, in vermeintlichem Kontrast zum Songtitel, in klagenden Bögen über die Szenerie legt und eine Art postapokalyptische Ballade entstehen lässt, die sich jede Gewissheit vom Leib trommelt. Auch in “In a Little Bit of a While” bleibt die Struktur zugleich kontrolliert und unruhig. Riemanns Drumming kippt ins aufgekratzte Freakout, ihre Stimme hebt zu fast liturgischen Gesten an, durchsetzt von hellen Shouts, die das Stück rhythmisch wie emotional nach oben reißen.
Der Übergang zu “Seelen an die Wände schmieren” markiert einen Moment der Verdichtung: Ein vorsichtiger tastender Rhythmus und eine fast jazzballadenhafte Pianospur, getragen von einem Text, der die eigene Auflösung als letzte Form der Sichtbarkeit beschreibt – “uns zwischen der Zeit zerreiben, sichtbar bleiben noch im Untergang”. Hier offenbart sich Riemanns vielleicht eindringlichste Stärke: das poetische Denken als unmittelbare Körpererfahrung entstehen zu lassen, roh und reflektiert zugleich.
“Was wortlos macht ist das Reden” spielt weiter mit dieser Spannung. Zwischen brummendem Noise und aufgewühlten Ausbrüchen schärft sich der Gedanke, dass Sprache und Kommunikationsrituale selbst zum Verstummen führen können. Danach öffnet sich “Unkraut vergeht nicht” in hellere, fast flirrende Rhythmen, über denen Riemann mit einer Melodie an der Grenze zur Rezitation sinniert: über Härte, Überzeugung, Selbstbehauptung und den Schatten, den diese Dinge werfen. Der abrupte Wechsel ins Englische (und in einen Takt, der sich federnder, hypnotischer gibt) wirkt wie eine Verschiebung der Wahrnehmung, vielleicht als Bruch, mehr aber vielleicht noch als Spiegelung.
Mit “Mad” und “Les Animaux” kehrt Riemann zur minimalistischen Energie des Beginns zurück – schnelle, luftige Drums, kaum Struktur im klassischen Sinn, dafür pulsierende Gegenwärtigkeit. Französisch gesungene Zeilen, mal dumpf wie hinter Stoff, mal direkt und animalisch, treiben die Dynamik ins Dissonante. Der Schluss “Fermer le gaz” wirkt wie ein Ausatmen, das sich weigert, Frieden zu geben.
“Head Shot Shy” ist eine Stunde kompromissloser Selbstverhandlung – körperlich, zornig, hellhörig. Riemann führt Schlagzeug und Stimme in eine Balance, die weder Virtuosität noch Konzeptualität betont, sondern die fragile Logik der Intensität selbst. Ihre Musik ist m.E. nie Ausdruck bloßer Wut oder gar Pose, sie bleibt präzise in ihrem Durcheinander, ruhelos, aber nicht ziellos.
Label: Fort Evil Fruit