Post-Orientalism Anthology: Sonitus Vol. 1: Neue Compilation auf Post-Orientalism Music

Mit der Compilation “Post-Orientalism Anthology: Sonitus Vol. 1″ veröffentlicht das Label Post-Orientalism Music eine Auswahl neuer Arbeiten von Deniz Tafaghodi, Lena Koucheri, Ehsan Saboohi, Mohammad Amin Akbarpour und Mohammad Reza Hashemi. Kuratiert wurde das Projekt von Ehsan Saboohi, dessen theoretische Reflexionen zur Bedeutung des Begriffs Sonitus auch den konzeptionellen Rahmen der Veröffentlichung bilden. Im Zentrum steht eine Auseinandersetzung mit Klängen, die nicht als musikalisches Material im engeren Sinne verstanden werden, sondern als Formen einer Existenzoffenbarung – als “Momente, in denen sich das Sein selbst mitteilt”, wie Saboohi schreibt. Gemeint sind etwa Rauschen, Dröhnen, Vogelrufe, technische Geräusche, Gesprächsfetzen unterschiedlicher Länge, publikumsdurchsetzte Konzertmitschnitte oder das Plätschern von Wasser – Klänge, wie sie in Alltag, Natur und menschlicher Kultur fortwährend geschehen und oft unbeachtet bleiben.

Die Beiträge der Compilation arbeiten mit diesen Formen auf unterschiedliche Art. Teilweise treten sie roh und fast unbearbeitet in Erscheinung, teilweise sind sie dezent überlagert oder verbunden mit musikalischeren Elementen im gängigen Sinne wie Gesang oder instrumentalen Fragmenten. Dabei entstehen hörspielartige Stücke, in denen das Gespräch über Sprache selbst zum Thema wird, oder dichte Klangflächen, die sich für längere Zeit einer zuverlässigen Einordnung entziehen. Saboohi begreift Sonitus im Anschluss an Lucretius und die antike lateinische Tradition nicht als objektivierbaren Klang, sondern als Ausdruck eines Ereignisses, eines Wirkens von Natur, das sich vor jeder Einordnung durch musikalische oder technische Systeme zeigt. Im Unterschied zu Ansätzen wie jener akustischen Ökologie, die Umweltklänge typologisch erfasst und analysiert, geht es hier um das, was vor der Begriffsbildung liegt: das Auftauchen eines klanglichen Ereignisses, das seine eigene Wahrheit trägt. Das Projekt versteht sich ausdrücklich nicht als Fortführung orientalischer oder westlicher Musiktraditionen, sondern als Versuch, jenseits dieser Unterscheidungen eine Form künstlerischer Arbeit zu eröffnen, in der nicht Repräsentation, sondern Präsenz im Vordergrund steht. Das Cover zeigt eine über 51.000 Jahre alte Höhlenzeichnung aus Sulawesi, die Interaktion zwischen Mensch und Tier darstellt – ein Verweis auf die lange Geschichte nichtsprachlicher Ausdrucksformen, die, selbst in den sprachdominierten Passagen, auch das Verständnis von Sonitus prägt.

“Art cannot be the expression or manifestation of any kind of self-separation, whether ethnic or psychic. Art is the impersonal production of a truth that is addressed to everyone.” – Alain Badiou

“Post-Orientalism Anthology: Sonitus Vol. 1″ erscheint am 25. Juli 2025.