Politics–Aesthetics Series: Erster Teil der überarbeiteten Reihe von Ehsan Saboohi

Mit “Politics–Aesthetics Series: Volume One” erscheint nun eine auf vier Folgen angelegten Veröffentlichungsreihe des Komponisten Ehsan Saboohi, die gerade von Post-Orientalism Music neu aufgelegt und überarbeitet wurde. Die Serie steht exemplarisch für das musikalische wie konzeptuelle Schaffen Saboohis, das sich seit Jahren mit der Frage auseinandersetzt, wie sich politische und ästhetische Strategien miteinander verschränken lassen – jenseits der gängigen Zuschreibungen von Herkunft, Genre oder kultureller Zuschreibung.

Das erste Album, auf sdas ich hier exemplarisch eingehe, beginnt mit fatalistisch anmutenden Bläsern, die an die Eröffnungsszenen eines Westerns erinnern könnten, wäre da nicht das irritierende Nebeneinander von Naturgeräuschen – Zirpen, Regen, tropfendes Wasser – und elektronisch verfremdeten Klängen. Klaviermotive tauchen auf, verschwinden wieder. Dann setzt Gesang auf Farsi ein. Später folgen perkussive Elemente, deren organischer Klang sich imer mehr in eine metallene Richtung wandeln, unterlegt von Stimmen und weiteren Soundquellen, die sich zu Stücken formieren, die nicht einfach durchkomponiert wirken, sondern sich aus mehreren Richtungen zugleich aufbauen.

Jede der vier Veröffentlichungen, an deren finalem Teil der KI-Komponist Nik Massoo beteiligt ist, offenbart ihren jeweils eigenen stilistischen Ansatz. Hinter dieser Musik steht auch eine bewusste Auseinandersetzung mit kulturellen Referenzsystemen. Saboohi schlägt mit dem Begriff des Postorientalismus eine neue Kategorisierung vor – nicht, um sich in ein festes Genre einzuordnen, sondern um eine diskursive Plattform zu schaffen. Dabei geht es weniger um ironisches Spiel mit Identität, sondern um die ernsthafte Befragung kultureller Zuschreibungen. Die Musikerinnen und Musiker auf seinem Label arbeiten etwa mit historischen persischen Radifs, die sie mit neuen kompositorischen Ansätzen verbinden.

Diese Verbindung ist nicht nostalgisch, sondern Ausdruck einer gegenwärtigen künstlerischen Haltung, die sich zwischen sogenannten östlichen und westlichen Bezugspunkten bewegt, ohne sich einem dieser Pole unterzuordnen. Kristoffer Cornils, der in seinen Liner Notes unter dem Titel “On Post-Orientalism as a Genre” die Idee des Post-Orientalismus als Gattungsbegriff reflektiert, verweist darauf, dass Genres nicht nur als einschränkende Kategorien verstanden werden sollten. Vielmehr können sie – so Cornils – als Ausgangspunkt für subkulturellen Austausch und kollektive Verständigung dienen.

Dass sich eine Gruppe von Kreativen explizit mit dem Begriff post-orientalism identifiziert, ist in seinen Augen keine nostalgische Geste, sondern eine bewusste Entscheidung für ein modernes Projekt, das sich der Ironie und Gleichgültigkeit gegenwärtiger Ästhetik verweigert.