Wenn Sprache auf Material trifft, entsteht Reibung – so oder so ähnlich könnte ein Motto zu “Tailles”, der bereits vor einigen Monaten erschienenen Single des Trios Anne-James Chaton, Andy Moor und Yannis Kyriakides, lauten, denn in dieser Arbeit wird Reibung gewissermaßen zur Struktur: rhythmisch wie ein Schnittmuster, hart akzentuiert wie ein Taktstock, der nicht dirigiert, sondern Zeiteinheiten und Arbeitsabschnitte konturiert. Die drei widmen sich hier der Sprache der Schneiderei, und das nicht metaphorisch, sondern anhand historischer Anleitungen zum Zuschneiden und Nähen.
Der erste Track “Pas de Danse” beginnt mit einem klappernden, fast unentschlossenen Geräusch, das sich nach und nach zu einem klareren Rhythmus formt. Dahinter arbeiten sich elektronische Geräusche ins Bewusstsein: Störfrequenzen, Kreischen, ein dumpfes Poltern. Chatons Stimme setzt knapp und gezielt ein, seine Silben wirken wie aus dem Papier gestanzt. Es entsteht ein Bild zwischen industrieller Mechanik und kontrollierter Körperbewegung – nicht zufällig speist sich der Text aus einem historischen Handbuch zur Schnitttechnik für Damen- und Kinderkleidung. Die darin enthaltenen Bewegungsanweisungen für das Zuschneiden werden zur tänzerischen Partitur, die hier sprachlich zerschnitten und neu zusammengesetzt wird.
“Ecrire une phrase”, der zweite Track, scheint zunächst mit einem vertrauten Rock-Rhythmus zu starten, doch dieser bricht bald auseinander, um sich in eine Struktur zu überführen, die an getrommelte Handbewegungen erinnert. Wieder sind es die kurzen, oft geloopten Gitarrenphrasen Andy Moors, die ein Echo an Postpunk-Gesten der 80er wachrufen. Kyriakides’ Elektronik bleibt dabei in ständiger Bewegung: fiepend, flirrend, manchmal fast schrill. Im letzten Abschnitt verdichten sich die Elemente, alles scheint sich einem stillen Höhepunkt entgegenzubewegen, ohne ihn tatsächlich geschehen zu lassen.
“Tailles”, der dritte Teil der Handwerksberufen und deren Klängen gewidmeten “Handmade”-Reihe, präsentiert ein Trio, das sich mit klarer konzeptueller Ausrichtung und hörbarer Detailverliebtheit zwischen den Feldern Text, Musik und Bewegung entfaltet. Eine – wenn das nicht zuviel der Deutung ist – strenge, aber keineswegs trockene Miniatur über Form, Fragment und Wiederholung. (U.S.)
Label: Unsounds