Rauschen, Knistern, Stimmenfetzen, die wie aus einem Traum auftauchen und wieder verschwinden – “Ibiza Move #1″ entfaltet sich wie ein akustisches Geflecht aus Fragmenten, Zufällen und präzise gesetzten Eingriffen. Nichts wirkt zufällig, auch wenn vieles auf den ersten Eindruck so erscheint. Jedes Detail scheint an seinem Platz, ob brodelnde Texturen, marschierende Rhythmen oder warme Pianoloops. Hinter dieser dicht verwobenen, in Echtzeit entstandenen Kollage stehen die Cellistin, Soundartistin und Vokalistin Munsha und DJ Junktion, die ihren gemeinsamen Auftritt im Trickster in Berlin auf Stereo-Kassette aufnahmen und Vinylplatten von einer ganzen Reihe an Künstlern (siehe Liner Notes auf Bandcamp) zum Rohmaterial ihrer Improvisation machten.
Zwei knapp zwanzigminütige Stücke füllen die Seiten der Kassette, die erste beginnt mit einem tiefen Dröhnen, fast wie der Auftakt einer Ambientplatte, unterbrochen von einer Durchsage, deren Herkunft vage vertraut wirkt. Rasch folgen verrauschte, kratzige Texturen, kreisende Klangbewegungen und hochtönende Elemente, die wie verfremdete Stimmen erscheinen, vermutlich aber reine Illusion sind. Allmählich wird deutlich, dass sich ständig etwas verändert: Knisternde Sounds erweisen sich als perkussive Impulse, Wind- und Brodelklänge mischen sich mit dezent gesetzten elektronischen Effekten. Trotz ihrer flächigen Grundstruktur steigert sich die Musik langsam, bevor ein markanter, marschierender Rhythmus einsetzt. Quietschende, gummiartige Klänge tauchen auf, dann echte Stimmen, rhythmische Zuspitzungen, bis der Höhepunkt erreicht ist. Danach gleitet die Collage in eine vergleichsweise besinnliche Passage: Warme Pianoloops, eine hauchzarte Stimme – möglicherweise Munsha selbst –, dazu das stetige Lodern und Knistern wie von Flammen. Kurz vor dem Ende mischt sich Gelächter ein, bei dem eine Stimme verdächtig an DJ Junktion erinnert. Das letzte Wort haben rumpelnde Metallgeräusche und ein quietschendes Saxofon, das direkt ins nächste Stück überleitet.
Die zweite Seite eröffnet mit der lakonisch hingezogenen Feststellung “Sie möchten wissen, weshalb ich Sie heute hasse”, gesprochen über einem schief-verschmitzten Jazz-Szenario aus Saxofon und Piano, begleitet von Knacken und Brodeln. Das Tempo verlangsamt sich, die Spannung steigt, das Saxofon brummt wie ein Motor und knarzt wie eine zusammengedrückte Plastikflasche. Die Struktur wird zunehmend kantiger, lauter, nähert sich mit verzerrten Distortions und jaulendem Feedback fast den Grenzen zu Harsh Noise und Noiserock. Ein hochtönende, fast liturgisch anmutender weiblicher Gesang setzt ein – verfremdet, aber prägnant –, dessen Wirkung im Zusammenspiel mit dem weiterhin aufjaulenden Feedback eine der stärksten Passagen des Albums bildet. Allmählich verdichtet sich der Klang zu einer elektronischeren, rhythmisch pulsierenden Phase mit hart gesetzten Feedbackimpulsen, die abrupt abbrechen, bevor schrille, beinahe infernalische Klangspitzen einsetzen. Blubbernde und quietschende Loops, teils aquatisch anmutend, begleiten diese Steigerung, bis die Collage schließlich in ein undefinierbar ruhigeres Szenario übergeht. Ein flammenähnliches Knistern und ein besinnlicher Pianoloop bilden den Abschluss – diesmal endgültig.
Im Vergleich zu Munshas vorigem, ernsterem Soloalbum wirkt diese Zusammenarbeit spielerischer. Das Nebeneinander von organischen und künstlichen Elementen, von Ernst und ironischer Farbigkeit, spiegelt sich auch im Coverfoto wider, das wie ein barockes, leicht karikiertes Vanitas-Stillleben wirkt. “Ibiza Move #1″ ist so auch ein Plädoyer für das bewusste Wiederaufgreifen und Recyceln von Material mit einer Ironie, die nicht verspottet, sondern auf verspielte Art Dankbarkeit ausdrückt für all die schönen und fragwürdigen Dinge, auf die man zurückgreifen kann. (U.S.)