Der Schwede David Åhlén dürfte den meisten Lesern ein Unbekannter sein, dabei hat er mit dem nur knapp 30-minütigen “We Sprout In Thy Soil” kürzlich ein dezent instrumentiertes Album veröffentlicht, das in seiner emotionalen Tiefe und stimmlichen Gestaltung entfernt an Antony erinnert, wobei Åhlén sich thematisch ausschließlich auf seinen Glauben an Gott konzentriert, dessen Bedeutung für ihn im folgenden Interview noch einmal mehr als deutlich wird.
Da es nicht so viele Informationen über dich gibt, wollte ich mit einer recht konventionellen Frage beginnen. Was war dein erster Kontakt mit Musik?
Ich singe und spiele seit ich ein Kind bin. Mit vier Jahren habe ich angefangen Geige zu spielen und ich habe während meiner Kindheit in der Kirche meines Vaters gesungen. Als Teenager habe ich dann später angefangen meine eigenen Songs zu schreiben und in verschiedenen Bands zu spielen.
Bist zu von (zeitgenössischen) Künstlern inspiriert worden?
Stina Nordenstam, MY BLOODY VALENTINE, Björk, RADIOHEAD, Nick Cave um nur ein paar zu nennen.
Baptistische Gemeinden haben oftmals eine in der Gemeinde fest verwurzelte Gesang- und Chortradition. Stellt diese Tradition für dich einerseits als Künstler und andererseits als Mensch einen relevanten Referenzpunkt dar?
Das ist für mich sehr wichtig gewesen. Die Spiritualität und die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, haben mich mehr als alles andere beeinflusst. Ohne die Hymnen, die wir während meiner Kindheit in der Kirche gesungen haben, würde ich heute nicht die Musik machen, die ich mache. Sowohl die Texte als auch die Musik sind ein Teil von mir. Ich kann die Spiritualität nicht von der Musik trennen. Ich habe versucht Texte über andere Themen als Religion zu schreiben, aber ich bin gescheitert…Musik ist für mich auch wichtig gewesen, um mit Gott zu kommunizieren. Durch die Hymnen und Loblieder kann man seine Liebe, Freude, Frustration, Wut, Angst und was sonst noch alles ausdrücken. Lieder zu singen oder in Zungen zu sprechen – es ist alles ein Rätsel: Man muss nicht wissen, warum man es tut. Man ist einfach erschaffen, es zu tun.
Du hast zuvor als NAMUR veröffentlicht, eine Band/ein Projekt, das sich musikalisch von deinem Soloalbum unterscheidet (auch wenn “Vesper” auf das, was auf “We Sprout…” kommt, vorauszudeuten scheint). Waren die Texte ähnlich und existiert die Band noch?
Die Texte sind ähnlich. Was die Musik anbelangt, waren wir sehr von Bands wie RADIOHEAD, MÚM, SIGUR RÓS; MASSIVE ATTACK usw. beeinflusst. Es ist eine musikalische Ära, die vorbei ist. Die Band ist nicht mehr aktiv und ich habe keine Pläne, neu zu beginnen. Ich nehme in meinem Heimstudio immer noch elektronische Musik auf und eines Tages werde ich vielleicht etwas veröffentlichen.
Auf der “Wasted Breaths”-7′ hieß es, dass dein Album Anfang 2008 erscheinen sollte. Tatsächlich wurde es aber erst ein Jahr später veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Verzögerung?
Das Hauptproblem war meine Gesundheit während dieses Jahres – deswegen mussten wir viele Aufnahmetermine absagen. Der andere Grund hatte mit unserem Aufnahmeprozess zu tun. Wir haben verschiedene Räume ausprobiert und die Arrangements der einzelnen Songs variiert. Einige der Stücke wurden vier, fünf Mal aufgenommen, bevor wir endlich zufrieden waren.
Du hast Geld vom schwedischen Kultusministerium bekommen. Wie ist es dazu gekommen und hat das geholfen, das Album fertigzustellen?
Wir haben einen Antrag gestellt und das hat geholfen das Projekt zu finanzieren.
Was ist für dich wichtiger – die Texte oder die Musik?
In den Liedern, die ich schreibe, sind Musik und Texte auf intime Art und Weise miteinander verbunden, deswegen ist es schwierig, diese Frage zu beantworten. Ich schreibe immer zuerst die Musik und füge die Texte später hinzu. Im weiteren Sinne ist die Musik für mich als Hörer vielleicht wichtiger. Es ist eine Sprache, die die Macht hat, alles in sich auszudrücken. Ich höre viel Instrumentalmusik: Jazz, elektronisch, klassisch.
“We Sprout In Thy Soil” beschäftigt sich ausschließlich mit Religion. Das ganze Album hindurch hat man das Gefühl von Sehnsucht (nach “Heilung” und “Reinigung” wie es auf “Stir Our Hearts” heißt). Ist Religion für dich als Künstler die treibende Kraft?
Absolut, das ist die Luft, die ich atme. Ich bin süchtig nach Gott – ich kann ohne seien heiligen Geist nicht leben. Wenn ich Musik mache, mache ich es aus Verehrung. Wenn ich auftrete, hat es alles mit Verehrung zu tun. Meine Liveshow ist ein Gottesdienst. Die Lieder sind Gebete – bei manchen kann jeder sofort mitmachen – manche dagegen sind intime, persönliche Liebeslieder. Aber ich zwinge mein Publikum nicht dazu, dabei mitzumachen, es ist freiwillig…
Was hältst du von Gottesbeweisen?
Ich habe an Religionsphilosophie kein Interesse mehr. Es gab eine Phase in meinem Leben, als das für mich wichtig war. Aber für mich ist der Beweis Gottes Liebe. Und ich glaube daran, weil ich seine Stimme gehört, seine Anwesenheit gespürt und seine Hand gehalten habe. Darüber kann man nicht diskutieren. Ich bete eher für jemanden, der zweifelt als dass ich versuche meinen Glauben mit Worten zu beweisen.
In einer Diskussion mit einem Freund sprachen wir über deine Musik und deine Texte und wir hatten den Eindruck, dass Bands wie z.B. WOVEN HAND stark (wenn auch nicht ausschließlich) vom Alten Testament beeinflusst sind (Feuer, Schwefel, ein strafender Gott, um es sehr vereinfacht auszudrücken). Deine Musik scheint mehr von der Idee des liebenden Gottes des Neuen Testaments beeinflusst worden zu sein (natürlich ist es so, dass du auch Zeilen aus dem Alten Testament bei “Arise” benutzt, aber das Hohelied Salomons ist ein besonderer Teil des Alten Testaments). Kannst du ein paar Worte zu diesen Assoziationen sagen?
WOVEN HAND sind großartig! Ich bin mit der schwedischen Baptistenbewegung großgeworden und später mit der Vineyard-Bewegung und die theologische Sicht war, dass es um das Reich Gottes geht, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes betonend. David Eugene Edwards ist in einem anderen Umfeld aufgewachsen. Soweit ich weiß, mit den “Old School”-Predigern, die vom jüngsten Tag gesprochen haben. Daran mag es liegen, dass wir uns auf verschiedene Dinge konzentrieren. Aber ich denke, dass er etwas Wichtiges mitbekommen hat: Gott ist sowohl Löwe als auch Lamm. Gott liebt im Alten und im Neuen Testament. Es ist schwierig für uns, alles in der Bibel zu verstehen. Gottes Wege sind wundersam und seine Gedanken und Pläne sind jenseits von unserer Vorstellungskraft. Anstatt ihn zu hinterfragen, gebe ich mich ihm hin…
Durch diverse europäische Großstädte fahren derzeit Busse, die sich der atheistischen Mission verschrieben haben. Dem entgegen haben diverse christliche Glaubensgemeinschaften mit gegenteiligen Botschaften auf Bussen reagiert. Wie stehst du persönlich dem Gedanken der Mission gegenüber?
Ich habe darüber gelesen…Nun, ein Christ sollte immer mit Liebe kämpfen. Und wenn man das macht, verwendet man nicht die gleiche Waffe wie der Gegner. Ich habe persönlich mit Missionierung zu tun. Es nennt sich Powerevangelismus und es geht darum, Gottes Liebe und Mitgefühl mit anderen zu teilen. Wir beten für Menschen, die krank sind und wir kümmern uns um die Bedürftigen. Es gibt viele wütende Christen, die durch die Politik kämpfen. Davon halte ich nichts: Das Königreich Gottes ist etwas ganz anderes.
Auf deinem Album variierst du die Instrumentierung (manchmal nur Gesang und Bass, Gesang und Spinnet, zweimal kommen Streicher hinzu). Sollte das Album sowohl abwechslungsreich als auch “rein” klingen?
Ja, wir wollten, dass das Album minimalistisch und “rein”, aber dennoch abwechslungsreich ist. Das Ergebnis ist zufrieden stellend.
Gibt es Pläne für einen Nachfolger für “We Sprout In Thy Soil”?
Auf jeden Fall, ich schreibe gerade neue Musik und hoffentlich werden wir das Album irgendwann 2011 veröffentlichen.
- M.G. & D.L. -