Von Thomas Jefferson Cowgill, auch bekannt als King Dude, haben die meisten wohl erst vor kurzem Notiz genommen, doch schon gilt er als umstrittener Künstler und wird kontrovers diskutiert. Umstritten und kontrovers aber keineswegs, weil er Dinge machen würde, die man als anstößig betrachten müsste. Viel eher geht es um Fragen seiner Rezeption: Wie sehr hat die Welt eigentlich auf King Dude gewartet? Ist um ihn am Ende noch ein Hype am entstehen, und wenn ja, wie sehr hätte er den verdient?
King Dude hat seine Wurzeln im Metal, entdeckte aber vor einigen Jahren das Neofolkgenre für sich, lernte die klassischen World Serpent-Acts lieben und einige Vertreter der zweiten Generation wie Kim Larsen dann auch persönlich kennen. Als Vertreter einer dritten Generation, auf die dann kaum mehr jemand so richtig gewartet hatte, tauchte er recht plötzlich auf der Bildfläche auf, und wird nun von manchen als Hoffnungsträger, von anderen jedoch als Epigone wahrgenommen, der alten Wein in neuen Schläuchen feilbietet und obendrein noch diejenige Qualität vermissen lässt, die im Neofolk doch so wichtig ist: Tiefe. Auf dem zunächst auf CDr und nun auch als LP erschienenen Album „Tonight’s Special Death“ singt Cowgill über den Hexenhammer, über teuflische Mütter und das ewige Leben. Engel und Dämonen haben ihren Auftritt, Naturmystik wird beschworen, Sklavenmoral und Herdenmentalität mit Spott übergossen. Auch musikalisch zieht er sämtliche Neofolkregister: Monoton beschwörendes Raufundrunterschrammeln auf der akustischen Gitarre, ein beinahe allgegenwärtiger Teppich aus finsteren Feldaufnahmen. Feierliche Strenge in der tiefen Stimme, eine piepsige Backgroundsängerin, hin und wieder die zwei obligatorischen Anschläge auf dem Tambourin oder das Ganze ersetzt durch dezentes Fingerschnippen.
Ginge es einzig und allein um solche Formalia, so könnte man sich auf ein recht schnelles Urteil einigen und ihm uninspiriertes Nachspielen von Vorbildern attestieren – wäre da nicht das Problem, dass King Dude in puncto Atmosphäre und Attitüde gar nicht so recht ins Genrebild passen will. Ein typischer Neofolksong weckt in mir immer Assoziationen zu einem kindlichen Fake-Paradies, in dem alles rund und symmetrisch ist, in dem eine Harmonie herrscht, die oberflächlich betrachtet entspannend wirkt, ihren zwanghaften und verbissenen Zug jedoch kaum verschleiert. So zauberhaft wie ein aller Erotik beraubtes John Waterhouse-Gemälde, von der brutalen hölzernen Eleganz eines Stefan George-Gedichtes. Nichts Freies, Zufälliges, Störendes hätte dort Platz, denn in der Neofolk-Welt geht es allem voran um Vermeidung. Mehr als in irgendwelchen Unkorrektheiten sehe ich genau darin auch den Grund, warum solche Musik immer nur von einem bestimmten, sehr überschaubaren Publikum gewürdigt wurde, obwohl sie offenkundig eingängig und schön ist.
Endlose Wiederholung der immergleichen Strukturen im Kontrast zu einem avantgardistischen Anspruch, sich selbst als elitär bezeichnende Künstler sowie Fans, die ihnen das auch noch abnehmen, obwohl oft nur ein aufgekochter weltanschaulicher Eintopf aus dem späten 19. Jahrhundert verhandelt wird – in all seiner penetranten Tiefsinnigkeit wirkte das irgendwann so ermüdend, dass King Dudes laxer und etwas spielerischer Umgang mit all diesen Motiven fast wie ein kleiner Befreiungsschlag anmutet. Singt Cowgill mit feierlichem Timbre von finsteren Unbilden und mystischem Erleben, so hat das bei ihm den Charme alter Horrorschinken. Sein Pathos wirkt niemals peinlich, dafür bewusst aufgesetzt – wie das eines humorigen schwarzgewandeten Geschichtenerzählers, der bei aller Rede über den Teufel selbst den Teufel tun wird, sich zu wichtig zu nehmen. Seine Melodien mögen einfach und feierlich sein – die typische Neofolkstimmung will nicht aufkommen, zu frei und dynamisch wirkt die morbide Euphorie in einem Song wie „Witches’ Hammer“, der gar nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen ist. Vornehme Schwärze ist reichlich vorhanden, doch wer das elitär finden will, der sollte sich bewusst machen, dass der Elitarismus hier nichts weiter ist als ein frei verfügbares Motiv aus dem riesigen Repertoire der Kultur, das bestens ins King Dude-Konzept eingebaut werden kann – mit einem zwinkernden Auge und doch trotz allem mit Liebe und Freude an der Sache. An einigen Stellen lugt sogar so etwas wie Rock’n Roll um die Ecke, und überraschenderweise musste ich bei „Born in Blood“, dem zweiten Ohrwurm des Albums, spontan an die campigen deutschen Psychobillies von The Raymen denken, die eine zeitlang in den Fußspuren der Cramps herumschlichen.
Zu den King Dude-Fans zählen vermutlich eine Menge ehemaliger Witch House-Kiddies, und mit seinem Blair Witch-Artwork und den beliebten Dreiecken hat er es sicher auch ein bisschen darauf abgesehen. Bemerkenswerter ist allerdings, dass diese Art von Popularität auch zu funktionieren scheint, und sich von allen bisherigen Expansionsversuchen szenemüder Neofolkbands unterscheidet. Ich rede nicht von Current 93, die niemals eine typische Neofolkband waren. Ich rede von Spiritual Front, deren kurze Trendyness in der Folge ihres vorletzten Albums doch eher ein konsummaterialistisches 90er-Zillo-Orkus-Phänomen war. Und die neuesten Hochglanzvideos von Ordo Rosarius Equilibrio würden in den Restbeständen der Chill Wave-Community vermutlich eher Fremdschämreflexe auslösen. Im Unterschied zu diesen Bands ist die Musik Cowgills nie glatt, sondern lofi, spontan, improvisiert und – die Hipstermusik schlechthin. Man kann an der derzeit grassierenden Verhipsterung von Subkultur sicher so manche Stilblüte zum Gähnen finden. Sie hat aber auch Post Punk davor bewahrt, eine Zukunft als monatlich wiederholte Ü30-Helloween-Party zu fristen und die Musikwelt selbst ganz nebenbei mit einigen kreativen Newcomerbands beehrt.
Ob das auch bei einem so anti-jugendkulturellen Genre wie Neofolk wirklich funktionieren wird, bleibt fraglich. Vielleicht müsste dabei zu viel negiert werden, was das Lebensgefühl dieser Szene im Wesen ausmacht. Sollte dem so sein, dann ist King Dude zu beglückwünschen, dass er nicht Teil einer immer kleiner und monotoner werdenden Nische ist. Und natürlich für seine unterhaltsame und durchaus inspirierende Musik. (U.S.)
Label: Avant! Records