V.A.: John Barleycorn Reborn: Rebirth

Vor einigen Jahren veröffentlichten das Downloadportal Woven Wheat Whispers und das Label Cold Spring die Doppel-CD „John Barleycorn Reborn”. Unter dem Titel des vielfach interpretierten Traditionals „John Barleycorn” (ver)sammelten sich eine Vielzahl britischer Künstler, die alle ihr eigenes Folkidiom sprachen und die mit verschiedenen Ansätzen und unterschiedlichen Mitteln versuchten, Folk für das 21. Jahrhundert relevant zu machen. Dabei reichte die Bandbreite zwar von eher experimentelleren bis hin zu sehr der Tradition verpflichteten Tracks, wobei dennoch deutlich wurde, dass alle Beteiligten weitaus  weniger als die damals so populären unter dem Titel Weird Folk subsumierten Künstler mit Brechungen, Ironie und Atonalität arbeiteten und stattdessen – wenn auch teils auf sehr eigene Weise – versuchten an Tradition(en) anzuknüpfen. Diese Herangehendweise zeigt sich auch bei „John Barleycorn Reborn: Rebirth” – bei dieser Doppel-CD handelt es sich allerdings nicht um einen neu zusamengestellten Sampler, sondern um die ursprünglich nur als Download für die Käufer des Erstlings erhältlichen Tracks, die keinen Platz mehr auf dem regulären Album fanden.

Mac Henderson of Grand Union Morris schreibt in den Linernotes: „The folk tradition does not need added layers of weirdness, it is incredibly strange in such areas with straw bear men, Jack-In-The-Green, Molly Dancing, the Cutty Wren and Mumming.” Dieses Zitat kann einerseits verstanden werden als Betonung des subversiven Potenzials von Folk, der über die Jahrhunderte immer (wieder) Formen fand, um Tabuisiertes und Geächtetes zu verbalisieren, andererseits aber auch als programmatisches Statement, das darauf hinweisen kann, dass man sich allzu großen Neuerungen und Verfremdungen verweigert.

Wie auch auf „John Barleycorn Reborn” greifen einige auf Traditionals zurück (z.B.  Magpiety, Charlotte Greig & Johan Asherton oder The Anvil, die das Titelstück auf herrlich spröde Art mit schleppender Perkussion und Feedback interpretieren), teils wird völlig auf Instrumente verzichtet und es erzählen nur die Stimmen (Mary Jane, Mac Henderson of Grand Union Morris, Magpiety, deren zweistimmige Version von „The Rolling of the Stones” beeindruckt), eine ganze Reihe Künstler verzichtet auf Selbige (novemthree, Misericordia, Steve Tyler, Far Black Furlong, Xenis Emputae Travelling Band, Wooden Spoon). Natürlich orientiert man sich (auch) an Shirley Collins, der Grande Dame des britischen Folk (Yealand Redmayne), manche nehmen das Mittelalter als Bezugspunkt (Daughters of Elven), einige der Beteiligten lösen sich von allzu klaren Songstrukturen (Sundog, Sedayne – beides Projekte von Sean Breadin). Die eigentlich relativ traditionell ausgerichteten The Owl Service überraschen mit dem Einsatz von Filmsamples, JefvTaon klingt wie eine Mischung aus Jandek und Devendra Benhart und The Big Eyes Family Players spielen einen dronelastigen Kammerfolk. Alan Trench ist mit drei Projekten vertreten: Cunnan mischen Fieldrecordings mit Akustikgitarre, Orchis’ „The Silkie“ erinnert etwas an frühe Stone Breath und  Twelve Thousand Days’ Beitrag wird von Martyn Bates’ entrücktem Gesang dominiert. Als Abschluss findet sich das leider viel zu kurze „The Old Way“ von Sunshine Coding, deren Musik in den Linernotes adäquat als „folktronica” beschrieben wird.

Diese rudimentäre, unvollständige und nicht immer ganz trennscharfe Aufzählung dürfte die Bandbreite dieses Doppelalbums verdeutlicht haben. Ein, zwei der hier Beteilgten hätte vielleicht eine kleine Daturainfusion zur Steigerung der Weirdness gutgetan, aber insgesamt ist „John Barleycorn Reborn: Rebirth“ ein Füllhorn an Kreativität.
(M.G.)

Label: Cold Spring