DALE COOPER QUARTET & THE DICTAPHONES: Métamanoir

Nach der immensen Aufmerksamkeit, die dem dunklen Sound des Kilimanjaro Darkjazz Ensembles und seinem Pendant im Zeichen des Mount Fuji zuteil wurde, hätte man fast vergessen können, dass es noch ein weiteres, wenn auch kleineres Gebirgsmassiv gibt, das zumindest indirekt als Namensgeber eines bizarren Zeitlupengroove fungiert: Gemeint sind die fiktiven Twin Peaks aus der gleichnamigen Serie von David Lynch. Vor ihrer Kulisse versuchte ein FBI-Agent namens Dale Cooper einen myteriösen Mord aufzuklären. Auf “Métamanoir” erforscht er mit seinem Ensemble nun zum zweiten mal die Myterien des Doomjazz.

Schon Angelo Badalamenti, einer der Urväter des angejazzten Ambientdoom und weitgehend verantwortlich für den Score der Serie, erkannte die Kongenialität derart gedämpfter Musik und den rätselhaften Kehrseiten des Alltags und schuf mit “Audrey’s Dance” und “Dance of the Dream Man” Songs, die wahrscheinlich nirgendwo so sehr Schule gemacht haben wie bei Bohren & Der Club Of Gore, die man immer noch zurecht als den Inbegriff dieses Stils betrachtet. Kommt Gesang dazu und gewinnen die Sounds und Rhythmen an Varianz, dann denke ich oft an andere bekannte Vorläufer, die in dem Kontext allerdings selten gewürdigt werden, nämlich die Swans. Jahre vor „Twin Peaks“ erschien auf deren „Children of God“-Opus ähnlich unterkühlte Barmusik, man denke nur an Jarboes Neuinterpretation von „Cry me a River“ oder an die Eigenkomposition „Blackmail“. Die Bretonen, die sich hinter dem Cooper Quartett und den Diktiergeräten verbergen, stehen, ob sie es wissen oder nicht, musikalisch eben so sehr in dieser Tradition.

Es ist sehr viel versteckt in dem kleinen Keller, der in dem kupfern dronigen “Une Petit Cellier” mit laszivem Stönen und Tenorsaxophon gleich zwei wichtige Komponenten einführt, die weiter hinten noch durch Oboen und leichte Perkussion erweitert werden. Mehr am reinen Sound orientierte Stücke wie “Sa Prodigieus” folgen, doch auch Melodisches und alle möglichen Graubereiche wie im fulminanten “Eux Exquis Acrostole”. Wie meist bei solcher Musik stellt sich kaum eine deprimierende Wirkung ein, mag der Song auch von einer unmöglichen Flucht handelt und die scheinbare Funktion des Doomjazz negieren, indem die Nacht als zu hell besungen wird, um sich darin zu verstecken. „American freedom ain’t worth a dime” lautet das Fazit der gehauchten Lyrics. Und trotz allem ist die Grundstimmung eher entspannt, was mit daran liegen mag, dass das Saxophonspiel, mit Jazzvokabeln gesprochen, doch eher smooth als cool ist, nur eben ungewöhnlich langsam und von allerlei befremdenden Klängen umgeben.

Ein weicher Jazzbesenloop eröffnet “Ma Insaisissable Abri”. Man könnte es als perfekte Dekonstruktion des Barjazz bezeichnen, und als ebenso perfekt für einen absurden Film Noir. Doch anstatt, wie es derzeit Mode ist, ein Stück Tradition in Form einer glatten Kopie zu idealisieren, wird hier all das Schräge an die Oberfläche gebracht, das auch bei avantgardistischen Errungenschaften oft in den Ritzen der Struktur versteckt bleibt (Coil gelang dies auf „Black Antlers“ einmal ähnlich im Bezug auf elektronischen Pop). Ein Beispiel ist hier der elegante Mezzosopran, der zu einem verzweifelten Quieken wird und dennoch seine Schönheit bewahrt.

So geht es dann auch bei den restlichen Songs weiter, die alle so vielgestaltig sind, dass man sie der Reihe nach hervorheben könnte: Doomige Soundwolken, leise Etüden auf dem Klavier, mehrstimmiger Gesang. Dann verrauschte Snares, unheilvolle Radioansagen und kurz eingespielte E-Gitarren, die alles zersägen. All das schafft eine zum Teil kaputte und doch stets faszinierende Parallelwelt. Dass die Unsensiblen es als Chillout abtun und die Weicheier als Deprimusik ist eigentlich nur noch mit William Blakes Höllenspruch über den Vorwurf des Narren zu beantworten. (U.S.)

Label: Denovali Records