Die schwule Subkultur der Bären betont eine archaische, scheinbar ungebrochene, will sagen: nicht feminisierte Maskulinität durch (Über-)Betonung gewisser Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten (starke Behaarung etc.), wobei natürlich jede Subkultur nur durch Abgrenzung existieren kann und will und daher auch von Symbolen und Codes abhängig ist, die die betreffenden Personen als zugehörig oder nicht zugehörig ausweisen.
Harley Phoenix, der Mann hinter Hirsute Pursuit, der auf „Tighten That Muscle Ring“ musikalisch von Bryin Dall (ehemals Loretta’s Doll, jetzt Thee Majesty, in den letzten Jahren auch als eigenwilliger Hank Williams-Interpret aufgefallen) unterstützt wird, zeigt, dass diese Befolgung der Codes auf eine bewusst wenig subtile Weise letztlich das Inszenatorische, Performative und Spielerische unterstreicht und verdeutlicht, dass Authentizität nicht als Kriterium der Beurteilung herangezogen werden sollte.
Phoenix lässt Projektnamen, Titel des (zweiten) Albums, Musik, Artwork und Texte eine deutliche, eindeutige Sprache sprechen. Der selbst gewählte Terminus „gay sex music“ mag da sowohl Genrebezeichnung als auch Funktionszuschreibung sein, denn die Musik ist auf das Allernötigste heruntergebrochen, meistens auf den vielleicht physischsten Aspekt von Musik reduziert: Rhythmus, während auf Melodien fast gänzlich verzichtet wird. Zu der schleppenden Perkussion kommen dafür dann fortwährend Fickgeräusche. Der Sprechgesang ist meistens auf einfache Slogans wie „You need to please me, boy“ („You’re Here to Pleasure Me“), oder „Suck that cock“ („One Sleazy Night in Bangkok“) beschränkt. Der Höhepunkt der Reduktion ist dann ein Songtitel wie „Fuck“ (dessen Text der Titel des Albums entnommen ist). Der Songtitel ist natürlich nicht als Fluch, als “four-letter-word”, zu verstehen, sondern als Imperativ. Das ist Reduktion von Komplexität: monomanisch, repetetiv, fast mechanisch, wie es Sex – „a lust of the blood and a permission of the will“ (Shakespeare) – eben auch immer sein kann. Der wird hier auch inszeniert als egoistischer, klar auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichteter Akt: „I don’t care if it hurts“ heißt es in letztgenanntem Stück, „We’re both here for my pleasure“ in „My Pleasure“. Der Mensch ist hier nur noch Trieb und Fleisch.
Am Ende des Albums finden sich dann noch drei Remixe, wobei die House-Versionen von „My Pleasure“ etwas uninspiriert klingen. Überzeugender ist da der treffend betitelte„Pounding“-Mix von „Fuck“, der dem Track eine passende Schwere gibt.
Inmitten dieser lexikalisch wie musikalisch reduzierten Stücke fallen dann die Gastbeiträge besonders auf: Boyd Rice, der seit einigen Jahren scheinbar versucht, die Phase seines sozialdarwinistischen Gestammels hinter sich zu lassen, trägt hier – mit offensichtlich ziemlich ramponierter Nasenscheidewand – Bowies „Boys Keep Swinging“ vor, dessen Text („When you’re a boy, you can wear a uniform“) vor Rices Hintergrund einer gewissen Ironie durchaus nicht entbehrt. Zwei Stücke enthalten Material des verstorbenen Peter Christopherson: Auf „One Sleazy Night in Bangkok“ werden Sounds verwendet, die sich in ähnlicher Form bei einigen Auftritten Coils fanden und zudem hat man den Eindruck Geräusche aus Sleazys Schlafzimmer zu hören. „One Sleazy Night in New Orleans“ scheint akustische Elemente (Akustikgitarre, Melodica ?) zu integrieren und es könnte sein, dass Sleazy Material aus den „Backwards“-Sessions beigesteuert hat: Insgesamt bekommt der Track dadurch eine melodischere Note als der Rest des Albums und strahlt eine leicht schwüle Atmosphäre aus. „Fuck, absolutely fuck“
J. M.
Label: Cold Spring