Laut knarrende Bässe, hämmernde Rhythmen, skandierte Slogans zwischen cooler Resignation und vitaler Rebellion – irgendwann in den letzten ein bis zwei Jahren hatte man vielleicht etwas zuviel von dem gehört, das Autoren wie Simon Reynolds aus Verlegenheit Post Punk nannten, und was zuerst Frische in unser bislang dröges Millenium brachte, erwies sich schnell als weitere Retro-Masche unter vielen. Leider. Mueran Humanos, die gerade mit der 7” “Give A Party” beweisen, dass ihr selbstbetiteltes Debüt keine Eintagsfliege war, darf man getrost zu den rühmlichen Ausnahmen zählen. Warum? Alles auf die argentinische Herkunft von Carmen Burguess und Tomas Nochteff zu schieben, auf Sprache und Exotik, wäre vorschnell. Mueran Humanos sind provokanter, „dionysischer“ und vor allem weit weniger phlegmatisch als so manche Kollegen, die sich geschlossen an einer Band aus Manchester orientieren, die trotz zugestandener Meriten längst nicht die enorme Wirkkraft hatte, die ihnen heute Legionen von Schreibern und T-Shirt-Trägern andichten wollen. Wenn Vergleiche erlaubt sind, dann höre ich eher noch The Fall heraus, oder den Rock’n Roll von Suicide.
Die beiden Songs auf der Single markieren äußerste Eckpunkte im Stil des Duos, kein Song ihres Albums war so poppig wie “Culpable”, keiner so noisig und songfern wie “Amuletto”. Ich möchte hier kein philosophisches Fass aufmachen und über Dualismus und über männliche und weibliche Prinzipien sprechen, und doch hat “Culpable” sehr viel von Carmen, ein leichter, tänzelnder Popsong mit weiblichen Vocals, aber er würde der Sängerin (die auch für die Elektronik zuständig ist) nur wenig entsprechen, wenn er einfach nur nett wäre, und nicht zumindest unter der Oberfläche einiges von der Ästhetik der Narben und Verkrustungen hätte, die Carmens visuelle Arbeiten auszeichnen und in anderen Songs präsenter sind. Oberflächlich einfacher Electroclash (zu rotzig und psychedelisch für Vive la Fête, zu wenig ironische Kulleraugen für Stereo Total), lebt der Song von dem altbewährten Verfahren, Schweres auf leichte Art zu sagen. Die gefallene Taube, zerfetzt unter Adlerklauen, stählerne Vorboten eines Luftkrieges, TOPY und Nico, die Imitatio Christi auf einem Dach in Berlin-Neukölln – Bilder aus dem dogmaesken Video-Clip von Txema Novelo, die ein von Ennui und Erotik durchdrungenes Unheil ankündigen und doch nichts offenbaren. Das geschieht dann um so mehr auf der zweiten Seite, wenn „Amuletto“ das Unbehagen, das im anderen Song eine vage politische Note aufweist, mit religiöser Apokalyptik vermischt. Von der Stimmung her kriegerisch zählt der Song, geprägt von Tomas’ Bassdröhnen, martialischer Perkussion und verrückten Zitaten aus der Welt religiöser Fanatiker zum Bedrohlichsten und zugleich Derangiertesten, das die beiden bislang auf Platte gebannt hatten. Da wünscht man sich glatt in die Zeit zurück, als man zum ersten mal Zeuge der agressiven Energie von Savage Republic wurde.
Mueran Humanos drehen zwar keine Zeit zurück, erfinden auch kein Rad neu, aber da ihre Version von Post Punk ohnehin kein bloßes Verschachern von Zeitkolorit darstellt, sollte man anerkennen, dass sie ohne taktische Brüche ihr Konzept verfolgen. Die 7” erscheint im Rahmen der von John Robb kuratierten Louder Than War-Reihe in gediegener Aufmachung, und wer die Wartezeit bis zum nächsten Release mit den beiden Exklusivstücken überbrücken will, sollte zeitig zugreifen. (U.S.)
Label: Louder Than War/Southern
CULPABLE DE MUERAN HUMANOS from Txema Novelo on Vimeo.