Josephine Fosters Musik ist in vielerlei Hinsicht „outstanding“, und man sollte den Begriff dabei sowohl wertend als auch deskriptiv verstehen. Da wäre zum einen schon die Tatsache, dass die Sängerin, die ihre Stimme nach einer abgebrochenen Opernausbildung in ganz andere Richtungen überführt hatte, nie an einer bestimmten Wurzel hing, dass ihre hybriden Folksongs dennoch niemals konstruiert wirken, sondern naturwüchsig und originär. Das „Klassische“ hat sie auch nach ihrer Entscheidung für den Weg der Autodidaktin nie ganz an den Nagel gehängt. Vor Jahren interpretierte sie Schubert-Lieder aus dem Blickwinkel rootslastiger Americana. Ausgesuchten Traditionals zunächst amerikanischen, später iberischen Ursprungs verleiht sie durch ihre nur vordergründig simplen Kompositionen und durch ihre Stimme, die spröde und elaboriert zugleich ist, eine reizvolle Manieriertheit. Stets verströmt ihr Gesang den unwirklichen Charme alter Grammophon-Klänge, und würde sie nicht so dezent vorgehen, könnte das schnell im Klischee enden. Wird ihr Gesang besonders ornamental, muss ich immer wieder an ein Theremin denken.
Zu ihrer Heimat Colorado und deren nicht gerade unfolkigen Metropole Denver lag sie zeitlebens quer – nicht dass sie dort je ein Fremdkörper gewesen wäre, doch die gängigen Netzwerke und ihre hauseigenen Stile wären für ihre Musik unpassende Schubladen gewesen. Ihr unstetes Nomadentum führte sie vor einigen Jahren nach Südspanien, wo sie nicht nur ihren Ehemann Victor Herrero kennen lernte, sondern auch ein Faible für die heimische Musik entwickelte. Schnell scharte sich um Foster und Herrero eine Gruppe an Instrumentalisten, und der Grundstein für eine erneute Zusammenführung disparater Stile war gelegt. Die zahlreichen Volksballaden schienen auf Fosters hybride Neuinterpretation nur gewartet zu haben.
Auf ihren beiden ersten „spanischen“ Alben, die sie unter dem Zusatz „& the Victor Herrero Band“ herausbrachte, zeigte sie sich vor allem als engagierte Retterin verschütteter Musikschätze, und ihre Kunst, den spanischen Volksballaden im Bandkontext neues Leben einzuhauchen, schien von ihrer kulturellen Außenperspektive sogar zu profitieren. „Blood Rushing“ ist wieder als Soloplatte konzipiert und enthält ausschließlich Stücke aus Fosters eigener Feder. In Cadíz begonnen und in den USA vollendet, stellt es gerade mal ein halbes Jahr nach dem noch frischen „Perlas“ eine Art Synthese ihrer beiden Heimatorte dar. Wollte man es etwas blumig ausdrücken, so könnte man die Songs als kleine Wunderkammern bezeichnen, oder als eine Sammlung schon alter, vergilbter Farbfotografien, die Personen in Räumen zeigen, von denen man nicht recht sagen kann, ob sie bewusst so arrangiert wurden, oder eher mit der Zeit zu ihrem vielfältigen Inventar gekommen sind. Wie liebevoll arrangierte Beigaben wirken die Maultrommel und der seltsame Sopran in „Waterfall“, das trotz all seiner feinen Zwischentöne auch Lautes anklingen lässt: eine Cheerleaderparade etwa oder ein mexikanisches Straßenfest. Das gleiche gilt für die versteckten Stilzitate in „Panorama Wide“, das zunächst a capella beginnt und dann mit Banjo und Tamburin zu einer beseelten Hommage an die Rocky Mountains wird. Manche Songs wirken fragmentarisch, andere sind regelrechte Rumpelkammern, auf die man sich einlassen muss, um ihr Wesen zu erkennen. „Sacred is the Star“ braucht ein paar Anläufe, entpuppt sich mit der Zeit aber zu einer pantheistischen Hymne von starker Intensität.
Mit souveräner Unbekümmertheit feiert sie in „Child of God“ das Echo einer indigenen amerikanischen Mystik – das Vermächtnis von Völkern, deren oft kärgliches Dasein sie ohne falsche Wehmut beklagt. Paz Lechantin (A Perfect Circle), die bei einigen Songs Hintergrundgesag beisteuert, begleitet Foster auf der „Indian Fluite“. Regelrecht schamanistisch mutet der Titelsong an, aber vielleicht ist der Eindruck auch dem Text geschuldet, der die rauschhafte Reise in ein Vorbewusstes besingt, in dem Sprache Sound ist. Hier legen die Mitmusiker – Heather Trost von A Hawk And A Hacksaw an der Violine, Herrero an der Gitarre, Ben Trimble von Fly Golden Eagle an den Drums – nahe, dass Fosters derzeitiges Ensemble auch als Band eine gute Figur machen könnte. Einen ähnlichen Gedanken hatte ich beim Garagenrock von „Geyser“ oder dem beschwörend repetitiven Ausklang von „Days Come Close“.
Die Songs auf „Blood Rushing“ sollte man mehrmals hören, um sich einen reifen Eindruck zu verschaffen. Darüber hinaus sollte man die Augen nach den angekündigten Tanzperformances offenhalten, bei denen Musik des Albums enthalten sein soll. (U.S.)
Label: Fire Records