Mueran Humanos können seit ihrem Debüt bereits auf eine kleine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Teil ihres Rezeptes, falls sie so etwas haben, ist eine Kunst, die sich viele Musiker gerne auf die Fahne schreiben – Carmen und Tomás liegen zu allen möglichen Kategorien quer und haben doch vielen Orten der Subkultur das Passende zu bieten. Der kernige Bass, die Drummachine, der mehrstimmige Gesang, die markigen Texte, die sich mit Vorliebe an allzu bequemen Weltbildern abarbeiten – all dies funktioniert im Postpunk-Rahmen ebenso wie in krautigen, noisigen oder poppigen Kontexten. Wer zum Düstervolk gehört und die beiden Argentinier nicht kennt, ist hoffnungslos in den 90ern kleben geblieben. Und selbst in der Design- und Jutebeutel-Community fachsimpelt man über die erklärten Menschenfreunde, seit sie ihre Zelte vor einigen Jahren in Berlin aufgeschlagen haben. Die Frage nach dem Warum versuchen einige sicher mit einer guten PR und einer breit gefächerten Wahl an Labels zu beantworten, aber ich schätze, dass es auch damit zu tun hat, dass Mueran Humanos trotz aller Offenheit Profil und Markanz haben. Eine ebenso spannende Frage ist, wann die beiden mit einem neuen Album aufwarten.
Stand der Dinge ist, dass das lange ersehnte Zweitwerk seit einiger Zeit am entstehen ist, und mit der gerade bei Vanity Case (Psychic TV, Val Denham u.a.) erschienenen 12” gibt es nun den ersten kleinen Vorgeschmack in Form zweier längerer Stücke. Kenner der Band könnten jetzt Einspruch erheben und auf diese 7” verweisen, die bereits im Sommer demonstrierte, dass die beiden sich keineswegs auf ihren Lorbeeren ausruhen. Beim Vergleich der beiden Songpaare wird allerdings deutlich, dass erst die zwei neuen Stücke, die soeben im Berliner Studio des Neubauten-Produzenten Boris Wilsdorf fertig gestellt wurden, einen gravierenden Schritt nach vorn darstellen. „Culpable“ und „Amuleto“ wirkten 2012 wie ein finales Fazit, das hinter den ersten Abschnitt der Bandkarriere gesetzt wurde, indem (mit einem poppigen Ohrwurm auf der einen und einem apokalyptischen Perkussionsgewitter auf der anderen Seite) die beiden Extrempole des bisherigen Schaffens noch einmal besonders betont wurden. Die beiden neuen Stücke überschreiten erstmals seit Bandgründung den stets dominanten Punk’n'Wave-Bezug der Band und loten relaxte, psychedelisch konnotierte Bereiche aus. Da wäre zunächst die Länge der Stücke zwischen neun und zwanzig Minuten, wobei ich dazu sagen muss, dass die minutenlange Instrumentalpassage in „La Langosta“ auch etwas kompakter hätte ausfallen können – Geschmackssache. Der Song beginnt mit einem hintergründig loungeigen Brodeln, welches bald in einen stilvollen Orgelsound mündet, der dann die Basis für einen klaren Duettgesang bildet. Auch wenn Mueran Humanos mit dem kernigen Bassspiel und dem kräftigen Gebrauch ihrer Muttersprache immer noch nach sich selbst klingen, stellen sich durch den Aufbau des Stückes und kleine spacige Soundzitate schnell Assoziationen zu einem 60er Jahre-Szenario ein, eine neorealistisch angehauchte, mediterrane Szene, gebannt auf verwackeltes Super8-Material, erscheint vor dem geistigen Auge des Hörers.
Es gibt Gerüchte, der Song sei uralt, und passe nur zufällig so gut zum titelgebenden Stück auf der anderen Seite. Soll ich das glauben? Falls ja, dann wird es sicher nicht grundlos gerade jetzt veröffentlicht. Das vergleichsweise kompakte „El Circulo“ ist der experimentierfreudigere Part des Minialbums, ätzende Gitarren, die wie eine Splittlawine auf der Bildfläche auftauchen und verschwinden, kontrastieren mit Tomás merkwürdig gedoppelter Stimme, und erst hier wird deutlich, was sich bereits auf der ersten Seite abzeichnet – sein Gesang klingt tiefer, wärmer und ein Stück unpunkiger als zuvor. Drumcomputer und Bluesgitarren führen Gewohntes und Ungewohntes zusammen, zitathafte Anspielungen auf Guy Debords “Gesellschaft des Spektakels” unterstreichen den rebellischen Charakter der Musik.
Altbekannt auch das Artwork aus Carmens Kollagenwerkstatt, das erneut unterstreicht, dass Mueran Humanos auch visuell eine Augenweide sind. Ob man es hier wohl mit einer Hommage an Mario Bava und seinen Klassiker „La Macchera del Demonio“ zu tun hat? Zumindest sieht die Coverpuppe aus wie eine Popart-Wiedergängerin von Barbara Steele, die in ihrer Rolle als Hexe Asa gerade die Statansmaske abgenommen bekommt.
Musikalisch wirkt die EP erstaunlich homogen und tendiert in eine Richtung, die hoffentlich auch auf dem Album ihre Spuren hinterlassen wird. (U.S.)
Label: Vanity Case