Schon an anderer Stelle haben wir die neue Reihe von Dronerecords vorgestellt, auf der sich jeweils vier Künstler ein Album teilen, um ihre Vorstellung(en) der „Drones of Minds“ zu zeigen. Teil zwei wird von dem Kalifornier Yann Novak, der auch als Video- und Installationskünstler tätig ist, eröffnet. Auf „Silent. Loop.001“ wird als Basis der Klang verwendet, der entsteht, wenn die Nadel des Plattenspielers in die Auslaufrille läuft. Hier spiegelt also das gewählte Ausgangsklangmaterial das Medium des Tonträgers wider. Dabei ist das Stück reich an Textur(en): Neben dem Knistern der Nadel hört man dunkelmelodische Drones, die sich im Laufe des langen Stücks entwickeln. Wenn der Künstler auf seiner Website zu seiner generellen Herangehensweise schreibt: „By subjecting [...] selected recordings to a series of erasures and treatments, a delicate palette of textures, drones, and subtle melodies emerges“, dann kann man zumindest dem auf dieser LP zu hörenden Stück attestieren, dass sich in ihm diese angesprochenen subtilen Melodien finden – es letztlich also alles andere als ein stiller Loop ist.
Die beiden darauf folgenden Beiträge von Strom Noir (aus der Slovakai) klingen dann aber dennoch wesentlich opulenter. Sowohl „Fihavanana“ als auch „Sundance“ bestechen durch unglaublich melodische Drones, die auf Gitarren basieren. Vielleicht ist Strom Noir ja der melodischere Bruder von Mirror. Hier scheinen die Assoziationen, die durch die Titel hervorgerufen werden – “Sundance” verweist wahrscheinlich auf die Sonnentanzzeremonie, die sich bei einer Reihe nordamerikanischer indigener Populationen findet, Fihavanana ist ein ein auf Madagaskar gebrauchtes Wort, das u. a. die spirituelle Verbundenheit zwischen Dingen bezeichnet – in den unglaublich warmen Drones ausgedrückt zu werden.
Emma Ya aus Kolumbien, die die zweite Seite eröffnen, sind stimmungsmäßig das genaue Gegenteil. Ging bei Strom Noir die Sonne auf, so erschauert der Hörer hier ob dieser aus finsteren Tiefen stammenden Drones. Hier fällt kaum ein Lichtstrahl – laut Website der Band bezeichnet der Name passenderweise einen schwarzen Planeten mit zwei Sonnen –, stattdessen ist das der Beitrag, der am ehesten einen rituellen Charakter hat. “The Golden Eye” ist ein mysteriöses, kaum greifbares Stück.
Abgeschlossen wird die Zusammenstellung von dem langen „Die Verwandlung“ von Karl Bösmann, einem Stück, das tatsächlich eine (Ver-)Wandlung durchmacht, ganz so, als wolle der auch als visueller Künstler tätige Bösmann tatsächlich einen Soundtrack für Kafkas Text, auf den in den Linernotes explizit verwiesen wird, komponieren. Wird die erste Hälfte noch von düsteren, teils unruhigen Streicherdrones (?) dominiert, die in ihrer Verdichtung im Ansatz an Xenakis denken lassen, finden sich sogar ansatzweise rhythmische Momente und vernimmt man auch kaum zu verstehende Stimmen, so wird der zweite Teil wesentlich rabiater und nähert sich dem Noise an. Wird hier Gregor Samsas Leidensweg vertont?
Vier Künstler mit unterschiedlichsten Inspirationen, aus denen ganz eigene Interpretationen des Drones entstehen, die aber wie schon auf dem Vorgänger perfekt miteinander harmonieren. Auf der Ebene der Materialität werden diese unterschiedlichen Ansätze vielleicht durch die vier verschiedenen farbigen Vinylversionen unterstrichen.
M.G.
Label: Drone