DUCHAMP: Nar

Zu den interessantesten Effekten statischer Geräusche, sei es Summen oder Rauschen, zählt die Illusion von Zeitlosigkeit, die sich zwangsläufig irgendwann einstellt, wenn man einem solchen Klang die angemessene Konzentration entgegenbringt und zulässt, ganz in ihm aufzugehen. Vielleicht trug dies ja, zusammen mit dem körperlichen Gefühl angenehmer Vibration, dazu bei, dass Federica alias DuChamp als Kind mit dem Summen des mütterlichen Haartrockners ein Gefühl des Geborgenseins verband. Im Infotext zu ihrem Projekt erwähnt sie diese Leidenschaft – vielleicht mit einem leichten Augenzwinkern – als Initialzündung für ihr Interesse an Drones, und die Stücke ihrer ersten LP „Nar“, vor allem die instrumental gehaltenen, wissen all diese Eigenschaften umzusetzen.

Der knapp dreizehnminütige Opener „Gemini“ wird aufgrund seiner relativen Statik ganz sicher polarisieren – es handelt sich um ein monumentales Droneloop auf der Basis warmer Akkordeonklänge, vibrierend, organisch und bei entprechender Lautstärke ausgesprochen kraftvoll, zugleich jedoch denkbar einfach in der Ausführung. Und dennoch, einen besseren Einstieg hätte die Musikerin, die bereits als eine Hälfte von Fausto Majistral ihre Dronekünste demonstrieren durfte, nicht wählen können, denn bei keinem anderen Stück offenbart sie eine derart sichere Hand bei der Kunst, ihre Klänge „räumlich“ zu machen und die Hörer vollends aus dem narrativen, zeitorientierten Modus herauszuholen. Hat man sich in dem Stück erst eingerichtet, fallen kleine Ungereimtheiten wie etwas knarrigere Sounds auf sowie leichte Unterschiede in Lautstärke und Klangfülle – kleine Irritationen, die sich einem rein regressiven Abdriften in den Weg stellen, auch wenn man nie ganz sicher ist, ob sie vielleicht doch nur Illusion sind.

Alle weiteren Stücke wirken vergleichweise introvertiert. „Protect me from what I weant“ ist vor allem bassgitarrig, ein minimaler Akkord, der klanglich modifizierte Geist eines Rockriffs, offenbart die raue Seite DuChamps, steigert sich sukzessive und erweist sich gegen Ende als Magnet, der zahlreiche kleine Soundelemente anzieht, u.a. entspanntes Gitarrenpicking, das mich nicht um einen inflationären Begriff wie Postrock herumkommen lässt. Das spielerischer gestaltete „A Worship“ leitet in den weniger statischen Teil über, creepy Gitarrensounds und eine geheimnisvolle Synthie-Melodie bilden das Fundament der einzigen Vocals auf dem Album, mit denen Gastsänger Brian Pyle (Ensemble Economique, Starving Weirdos), die theatralische, pathetisch-andächtige Seite klassischer Rockmusik in Erinnerung ruft. Nach diesem Übergang kommt mehr und mehr Dynamik ins Spiel, das mit viel Hall unterlegte „A way to grasp joy immediatly“ ist narrativer, veränderlicher und soundtrackartiger als der Rest und verbreitet ein überraschendes Americanafeeling. In „Seisachtheia“ ist jede Statik aufgehoben, undefinierbare Samples, u.a. eine sitar-ähnliche Klangquelle und hektische Metallperkussion bringen die gute dreiviertel Stunde zu einem eher atonalen Abschluss.

Ob die Gestaltung der einzelnen Soundkomponenten oder doch eher ihre Engführung in einem äußerst homogen wirkenden Gesamtbild die größte Stärke von „Nar“ ist – mir scheint die Frage unentschieden zu beantworten und somit obsolet. Das es sich dabei um ein mehr als solides Debüt handelt, steht jedoch außer Frage. (U.S.)

Label: Boring Machines