RAISON D’ÊTRE: Mise en Abyme

Peter Andersson hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den verschiedensten Spielarten des (Post-)Industrials ausgetobt, und auch wenn das manchmal durchaus rabiat ausfallen konnte (man denke etwa an Panzar oder Stratvm Terror), dürfte am bekanntesten aber (immer noch) Raison D’Être sein, sein Projekt, mit dem viele ihre erste Begegnung auf Cold Meat Industry (respektive dem Tapesublabel Sound Source) gehabt haben dürften und das durch Titelgebung der Alben und Songs („Enthraled By The Wind Of Lonelienes“, „The Empty Hollow Unfolds“, „Within The Depths Of Silence And Phormations“, „Requiem For Abandoned Souls“ – eine Liste, die fast beliebig fortsetzbar wäre), Artwork (oftmals verwaschene, verschwommene Bilder) und der Kombination von (Dark)Ambient-Flächen mit u.a. gregorianischen Chorälen eine wahrlich umfassende Atmosphäre der Trauer und Verlassenheit erschuf. Auch wenn die eingesetzten Mittel (nicht nur rückblickend betrachtet) manchmal vielleicht etwas an Subtilität vermissen ließen, so hatte bzw. hat die Konsequenz mit der Andersson das tat, etwas durchaus Sympathisches. Zudem lagen klanglich auch Meilen zwischen ihm und anderen, die im weiten, oftmals wenig fruchtbaren, Feld des Dark Ambients tätig waren.

Auf Transgredient Records erscheint nun das erste neue Studioalbum seit einigen Jahren. Konzeptionell geht es laut Labelinfo um eine kathartische, therapeutische Reise ins Unterbewusste, in die Unterwelt – eine Thematik, die sicher sowohl zum Label als auch zum Künstler passt. Der erste Track beginnt kaum wahrnehmbar: Erst nach zwei Minuten kann man einen Drone hören, der aber unglaublich melodisch ist. Immer stärker schwillt der Drone an, um dann am Ende in (die) Stille überzugehen. Hier wird vielleicht tatsächlich der titelgebende „Abyssos“ beschworen. Auch „Infernos“ beginnt verhalten und verhallt: Geräusche, die nur zu erahnen sind, dann kommt Perkussion hinzu, die fast schon so klingt, als gingen in einer leerstehende Halle Vereinzelte ihrer Arbeit nach. Nach und nach verdichten sich die Klänge, wird es hektischer, bevor das Stück leise ausklingt. Verglichen mit dem Opener ist „Infernos“ wesentlich bedrückender. Auf „Katharos“ werden dann erstmals verfremdete, verlangsamte (Choral)Stimmen eingesetzt, die in eine verrauschte Klanglandschaft eingehen, man hört etwas, das nach Perkussion klingt, bevor anderer Gesang in der Ferne erklingt. Ganz entfernt musste ich – zumindest was die Stimmung anbelangt – an SPKs „Zamia Lehmanni (Songs Of Byzantine Flowers)“ denken. Mit „Agraphos“ endet das Album ebenfalls verrauscht, zurückhaltend, der auch hier zu hörende verlangsamte Gesang versetzt den Hörer in Zustände weit jenseits der Melancholie. Das ist der passende Abschluss eines in sich geschlossenen, durchgängig gelungenen Albums.

M.G.

Label: Transgredient Records