Unter dem in voller Länge um einiges umständlicheren Titel “Rev. Freddie Murphy, C. Lee and vicar Vittorio Demarin as Father Murphy play Veronica Azzinari’s engravings inspired by ‘Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz Anno 1459′” erscheint gerade die Zusammenarbeit zwischen einer der eigenwilligsten jüngeren Experimentalbands und der Druckgrafikerin Veronica Azzinari in Form eines großformatigen Booklets und einer einseitig bespielten 12”. Stoff bzw. die Inspirationsquelle ist der gleichnamige okkulte Roman, der im 17. Jahhundert zu einem der Manifeste der sogenannten Rosenkreuzer wurde und dem deutschen Autor Johann Valentin Andrae zugeschrieben wird.
Azzinaris Gravuren sind den einfachen Formen und dem zweidimensional-flächigen Stil frühneuzeitlicher Grafiken nachempfunden, und geben zugleich Zeugnis von einer freien, ungezwungenen Hand. In schlichten, erdigen Farben erscheinen kindlich anmutende Chimären auf den Tableaus, die stets im Prozess der Verwandlung erscheinen – vom Floralen zum Tierischen zum Menschlichen zum Mechanischen und zurück. Körperausschnitte erscheinen als Versatzstücke, die unter Missachtung jeder Größenordnung montiert sind.
Father Murphys Musik dazu ist derart hintergründig, dass sie problemlos beim aufmerksamen Bilderbetrachten gehört werden kann – konzentriert man sich völlig auf die Musik, erweist sie sich als überraschend ereignisreich. Die songorientierte, postpunkige oder offen noisige Seite haben die Turiner dabei merklich heruntergeschraubt zugunsten einer hörspielartigen Klangfolge, die an einen mittelalterlichen Mönchskrimi erinnert. Ketten und Schlüssel rasseln, Keilhacken graben sich in steinigen Boden, mysteriöse Schritte hallen durch eine alte europäische Düsternis, erst mir der Zeit mischen sich musikalischere Details – Dronescapes, pochende Rhythmen – in die Szenerie.
In zeitgenössischen Subkulturen sind okkulte Parallelwelten oft Teil romantischer Vorstellungen. Doch Romantik ist gescheiterte Mystik – statt die Heterotopie zu kennen, verzehrt sie sich nach der Utopie und verbleibt auf dem Level des Nie-Ankommens, was ihre Elaborate im Schnitt sentimental erscheinen lässt. Davon kann hier keine Rede sein.