Job Karma ist ein Duo aus dem polnischen Wrocław, das eng mit dem dort jährlich stattfindenden Industrial Festival verknüpft ist und seit Ende der 90er verrottete Endzeitszenarien entwirft. Die Musik, die Maciej Frett, Aureliusz Pisarzewski und ihre wechselnden Gäste spielen, beerbt die tribale, rhythmische Tradition der Industrial Culture, perfekt zugeschnitten auf eine Welt im Niedergang. Mit seinem Fantasy-Artwork und diversen Video-Animationen ist Arek Bagiński fast so etwas wie ein drittes Mitglied. Leser unserer Seiten erinnern sich vielleicht an „Anthems Flesh“, ihre Zusammenarbeit mit Matt Howden alias Sieben. Nach zwei Jahren erscheint nun das Nachfolgewerk, auf dem neben anderen Gästen auch der britische Geiger und Sänger wieder zu hören ist.
Das „Job“ in Job Karma steht nicht für Beruf, sondern für den biblischen Hiob in englischer Sprache, und Hiobsbotschaften stehen auch im Zentrum des „Society Suicide“ betitelten Albums. Unterm Strich ist das Konzeptwerk ein Abgsang auf so ziemlich alle Werte, die die westliche Welt in den letzten zwei Jahrhunderten in Bewegung gehalten und zugleich in Sicherheit gewogen haben. In den Liner notes findet sich eine Art Kurzmanifest, das die dunklen Seiten des spätkapitalistischen status quo in einfachen Worten wiedergibt und dabei eigentlich nur das verkündet, was ohnehin jeder wissen sollte – dass die rosige Konsumutopie, die Wohlstand und Sicherheit auch außerhalb der westlichen Kernländer prophezeit, ein frommer Wunsch ist und dass sich Entfremdung, Ressourcenschwund und etliche soziale und ökologische Wunden nicht länger verdrängen lassen. „Society Suicide“ ist eine furiose apokalyptische Weltanklage und Populismus pur. Ist das schlimm, wenn es der Wahrheitsfindung dient?
Die einzelnen Songs sind einprägsam und auf Markanz getrimmt, so wie die schlagwortartigen Titel, die meist emotional besetzt sind und entweder Abscheu („Greed“) oder eine Mischung aus Hoffnung und Dringlichkeit („Change“) heraufbeschwören. Auf die Weltordnungskriege der letzten Dekaden spielt zumindest indirekt der Opener „Oil“ an, bei dem Gastsänger Thom Fuhrmann (Savage Republic, Autumnfair) den Treibstoff unserer Zivilisation besingt, der auch im vermeintlich post-materiellen Zeitalter immer noch den Großteil unseres Transportwesens und die Herstellung zahlreicher Güter bestimmt. Wie Schläge auf eine Pipeline erklingt die finstere Perkussion, während Fuhrmann an der Grenze zum Darkpop Zeilen wie „Blood from the sand, drill one more time“ grummelt.
Was den Sound betrifft sind die Stücke fast ein wenig zu gut gestaltet, doch man muss einräumen, dass hier kein Brimborium um nichts gemacht wird, vielmehr sollte die vielschichtige, ausdifferenzierte Klanggestalt auch denen Respekt abnötigen, die im Normalfall auf raue Ungeschliffenheit schwören. Nie gerät die bandtypische Blechperkussion zu simplem Chaos ohne erkennbare Orientierung, jedes Stück hat seine eigene Spannungskurve, seine eigenen kleinen Episoden, und in „Trees“ kann man im Sekundentakt verfolgen, wie die Natur in Form zahlreicher Geräusche die technische Ruine okkupiert. Wem manche Abschnitte zu frickelig und technoid geraten oder die Stücke mit weiblichem Gesang zu nah am Szenepop sind, den entschädigt vielleicht der erdige, punkige Bass in „Out“ oder Matt Howdens tieftraurige Klage über das Auswringen des blauen Planeten.
Job Karma sind keine übergescheiten Theoretiker, die sich im Elfenbeiturm der Besserverstehenden verschanzen, sondern wissen sich musikalisch auszudrücken und ihren Weltekel auf ein allgemein kommunizierbares Niveau herunterzubrechen. Ein oder zwei derbe Kracher wären gerade mit Unterstützung aus dem Mobilization-Umfeld nicht übel gewesen, aber inhaltliche Stringenz und das Fehlen jeder Länge verdienen allemal Lob. (U.S.)
Label: Requiem Records/Klanggalerie