Ein mysteriöses Volk sind sie, die Wiener Vogelmenschen, die sich mit ihrem feinmaschigen Soundgewebe dem Klang eines Kolibriflügels annähern wollen. Je nach Kontext kann das flapsig oder pathetisch klingen, doch der Eindruck muss zwangsläufig eine andere Richtung nehmen, ist man erst einmal in die Musik eingetaucht, die Ulrich Rois und seine Mitstreiter unter dem Namen Bird People spielen.
Ihr aktuelles Tape widmet sich der vielleicht bekanntesten Passage aus James Frazers Religionsstudie „Der goldene Zweig“ – im Eingangskapitel „Der König des Waldes“ beschreibt der Ethnologe ein Diana-Heiligtum nahe Rom und zieht Verbindungen zu früheren, ungleich mysteriöseren Kulten, die sich am selben Ort abgespielt haben könnten. Nun gibt es Konzeptalben im Geiste eines Denkers und solche, die von einem Werk lediglich inspiriert sind. Bird People lassen es offen, inwiefern sie Frazers Geringschätzung der Archaik und seinem Glauben an die „evolutionäre“ Überwindung der Magie durch Religion und später Wissenschaft folgen. Es ist jedoch anzunehmen, dass Bird People in erster Linie der Atmosphäre eines solchen Ortes auf der Spur sind.
„To Peer Into the Huntress’ Mirror“ zeichnet den Liner notes zufolge das Erwachen eines neuen Tages nach und nimmt wohl den Blickwinkel der Jagdgöttin ein. Was bei folkiger Ambientmusik allzu schöngeistig geraten könnte, wird durch eine Vielzahl an Spannungsmachern konterkariert, die den Dronefluss durchbrechen und ihre Klangquellen kaum preisgeben. Das Klingeln verhallter Saiten, vage Rhythmen und etliche Naturgeräusche wechseln sich ab und geben dem Stück so eine episodische Struktur, die nach und nach in dichten, schweren Noise mündet.
„A Harvest of Birdsong and Bones“ klingt noch um einiges folkiger, was jedoch keineswegs Songmuster nach sich zieht. Reminiszenzen an Banjo und Drehleier und eine hintergründige Frauenstimme vollführen in der Repetition eine Rückverzauberung der Welt, wie es sonst nur Folkacts wie Orchis gelingt. Frazers Themen mag man da durchaus wiedererkennen – seine Zivilisationsaffinität suche zumindest ich darin vergebens.
Die optisch schön gestalteten 70 Tapes haben hoffentlich noch nicht alle ein Zuhause gefunden.
A. Kaudaht
Label: Yerevan Tapes