Mit den Sun City Girls brachte Alan Bishop Punkattitüde mit Improvisationsgeist und der Lust an echter und gefaketer Archaik aus vielen Teilen der Welt unter einen Hut, wobei neben amerikanischen und arabischen Einflüssen (die Gebrüder Bishop sind Amerikaner mit libanesischen Roots) vor allem afrikanische und ostasiatische Traditionen von Interesse waren. Bei der Vielzahl der auch nach dem Tod des Drummers und dem Ende der Band immer noch regelmäßig erscheinenden Releases wurde nicht nur mit dem Vorurteil gebrochen, dass Quantität für Qualität hinderlich sei. Auch wurde deutlich, dass verquere Bricolagenklänge von dadaistischer Dunkelheit nicht immer schwer verdaulich klingen müssen.
Vor kurzem legte Bishop mit seiner aktuellen Band The Invisible Hands sein bis dato vielleicht eingängigstes Werk vor. „Teslam“ wurde wie schon das Banddebüt in Bishops Wahlheimat Kairo eingespielt, zusammen mit lokalen Musikern, deren harter Kern längst mit dem Frontmann zu einer festen Gruppe verwachsen ist. Wer beim Lineup (und auch angesichts der auf Sublime Frequencies dokumentierten Passion Bishops sowohl für „seriöse“ traditionelle Musik als auch für schräge Exotica) Orientalisches erwartet, könnte nun einmal mehr überrascht sein über den regionenübergreifenden Sound der Platte. Zwar sind regionale Instrumente zu hören, doch diese sind recht sparsam in ein Klangbild integriert, das eine große Leidenschaft für Rock, Beat und einen Songwriter-Machismo der alten Schule offenbart.
„Slaughterhouse“, das mit einem vuvuzelaartigen Dröhnen beginnt und in einen kernigen Midtemporocksong mündet, klingt sehr amerikanisch und channelt einen Sound, für den man Bands wie The Red Krayola liebt. Wie in dem satten Hardrock von „Weasel Down“, der Schweineorgel in „Places“ und dem schrammeligen Rock’n'Roll vieler Stücke zeigt Bishop hier, dass er eine Qualität aus Sun City Girls-Zeiten bis heute bewart hat, nämlich den Mut zum gewagten Aneignen von Stilzitaten und eine dreiste Unerschrockenheit gegenüber abgenudelten musikalischen Schablonen, die stets mit Witz angegangen werden und von der Überzeugung künden, dass vieles eben tatsächlich früher besser war, und daran ändern auch keine noch so banalen Revivals etwas, und der Zahn der Zeit schon gar nicht. In dem Sinne sind die unsichtbaren Hände allenfalls Meta-Retro, und nirgendwo zeigt sich das so gut wie in Bishops stimmungsvollen Duettpasagen mit der Sängerin Aya Hemeda, bei denen man um keine Gainsbourg/Birkin-Vergleiche herumkommt.
Während Oud-Klänge und nordafrikanische Rhythmen zwischen all den Gitarrentwangs, den progressiven Orgelteppichen und dem Popappeal von Bishops Gesang eher gut dosiert zum Zuge kommen, ist das Kairo der letzten Jahre in den Texten allgegenwärtig. Jeder der Songs verströmt den Geist einer Metropole, die in der jüngeren Vergangenheit zwei politische Paradigmenwechsel durchlebt hat und letztlich in einer vielleicht noch Jahre andauernden Schwellensituation vor sich hinbrodeln wird, die man als Auswärtiger nur schwer einzuschätzen vermag. Die Invisible Hands vertonen aber viel mehr die kleinen alltäglichen slices of life, die zwischen den epochalen Ereignissen stattfinden, und gehen diese mit einer Menge an skurrilem Humor und slapstickhafter Ironie an. Der rebellische Geist, der darin spürbar ist, schlägt dann auch die Brücke zum Bandnamen, der nicht auf die ökonomische Heilslehre eines Adam Smith, sondern auf obskure Kairoer Street Artists verweist, die durch kryptische Symbole das Tagesgeschehen kommentieren und dabei nicht ganz einflusslos sind.
Ob es diese Stehaufmentalität ist, die zusammen mit der Frische der unverquasten Musik den Titel „Teslam“ passend erscheinen ließ? Das arabische Wort bedeutet Segen, allerdings im weniger mystischen Sinne wie das ähnlich übersetztbare Wort „Baraka“, es deutet darauf hin, das etwas unter einem guten Stern steht. So jedenfalls klingt die Musik, und das ist in jedem Fall eine gute Voraussetzung für die sich immer fester formierende Band.
Label: Abduction