Vergangenes Jahr konnte man auf der Facebook-Seite Controlled Bleedings einen Post von Paul Lemos lesen, in dem dieser das Ende der Band verkündete, zu frustriert schien er darüber zu sein, dass das Publikum die vielen musikalischen Ha(c)kenschläge nicht (mehr) mitzumachen schien. Kurz darauf verschwand dieser Post wieder und nun melden sich Controlled Bleeding mit einer Split-CD mit Sparkle In Grey zurück, auf der man den Eindruck hat, mit den hier versammelten Tracks wolle Lemos zeigen, dass er sich um Erwart(ungshalt)ungen und Kohärenz noch immer nicht schert.
Auf dem „Intro“ ist der vor einigen Jahren verstorbene Joe Papa inmitten hektischer, kurz vor der Eruption stehender Free Jazz-Momente zu hören, „Garage Dub“ist eine treibende instrumentale Progressiverocknummer -eingespielt von Lemos, Mike Bazini und Tony Meola, der schon zur allerersten Bandinkarnation gehörte -, Musik also, mit der Controlled Bleeding Ende der 70er debütierten, bevor sie wenige Jahre später mit Harschnoiseeruptionen die Ohren vieler Zuhörer an die Grenzen der Belastbarkeit brachten. „Springtime in Brooklyn“ dagegen ist eine entspannte chillige Ambientnummer, „Perks Pt. 1“ vielleicht ein Hinweis auf eine (weitere) mögliche Entwicklung: Das Stück beginnt mit harschem, verzerrtem Noise, der kurz denken lässt, hier sollten die Anfänge neu- und wiederbelebt werden, dann aber kommt im weiteren Verlauf eine verzerrte E-Gitarre dazu, die das Stück trotz aller Brachialität musikalischer macht als das in den frühen 80ern entstandene Material, das demnächst in einer 7-CD-Box teilweise wiederveröffentlicht werden soll. „Birdcanned Pt. 2“ schließlich lässt an die Freejazzhysterie von Lemos’ und Papas Projekt Breast Fed Yak denken.
Sparkle in Grey, die seit weit über zehn Jahren aktiven Italiener, die auf zahlreichen Veröffentlichungen einen originellen und ganz eigenen Postrock (ein)gespielt haben und in deren Diskographie sich auch eine Zusammenarbeit mit Maurizio Bianchi findet, klingen beim ersten Hören wesentlich homogener: Allein schon, dass es sich um vier Teile eines Stücks namens „Idiot Savant“ handelt, legt das nahe: „Pt. 1“ beginnt mit einer simplen, melancholischen Klavierfigur, zu der eine Geige hinzukommt und geht fließend in „Pt. 2“ über, ein Bass und dezente Perkussion setzen ein und verdichten sich gegen Ende, so dass man glaubt, einer kammermusikalischen Version von GYBE zuzuhören. „Pt. 3“ knüpft daran an, während „Pt. 4“ mit seiner kargen Perkussion und dem Fehlen melodischer Momente anfangs herausfällt, bevor im weiteren Verlauf auch hier wieder Klavier und Geige einsetzen und auf den ersten Teil verweisen. Als letzten Sparkle In Grey-Track gibt es das Bonusstück „Mevlano Pt. 1“: unruhige Drones, verhallte Geräusche, Perkussionstupfer. Controlled Bleeding beenden das Album dann mit „Live in Brooklyn“.
„Perversions of the Aging Savant“ ist eine durchgängig starke Veröffentlichung, die manchen eventuell fragen lässt, wie das alles zusammenpasst. Vielleicht hängt das aber auch einfach nur mit einer – wäre man kulturpessimistisch, würde man sagen zunehmenden – Gleich- und Stromlinienförmigkeit zusammen, die nicht nur den Mainstream, sondern auch Teile der Subkultur und der scheinbar randständigen Musik prägen. (M.G.)
Label: Off Records