Jahr für Jahr nimmt Demian mit seinem Projekt Ô Paradis neue Alben auf und verfeinert seine so schwer zu charakterisierende Musik, betont mal die poppig beschwingten, mal die erdig folkigen, mal die verspielt elektronischen Seiten seines Stils und kommt doch immer wieder zurück ins Zentrum seines eigenen Kosmos. In der Frequenz seiner Veröffentlichungen, bei der man mit der Zeit schon mal den Überblick verlieren kann, kommt nie der Eindruck des Maschinellen auf. Warum das so ist, lässt sich nicht allein mit den jeweiligen kleinen Veränderungen erklären, es entsteht bei seiner Musik auch immer der Eindruck, dass – um so um einen Begriff wie authentisch herumzukommen – nichts der Routine überlassen ist.
Wenn ich dem Titel und einigen für mich noch verständlichen Wortfetzen seiner spanischen Lyrics trauen kann, dreht sich sein diesjähriges Album um die vielfältigen Verknüpfungen von Liebe und Tod, die seit Menschengedenken Anlass zu Mythen, Allegorien und alltäglichen Metaphern gegeben haben, man denke nur an das Vanitas-Bild von Tod und dem Mädchen, an das Motiv vom Liebestod oder an die Umschreibung des sexuellen Höhepunktes als kleinen Tod. „To love is to lose and to lose is to die“ hieß es seinerzeit bei anderen, und in dem Satz steckt viel mehr und v.a. viel weniger dumpfe Resignation, als oft vermutet. Ohne Kenntnisse des Spanischen entgeht einem natürlich vieles, mehr als ein Trostpreis jedoch ist die sich automatisch einstellende Konzentration auf die Stimmung und die musikalische Gestalt, auf Klangfarben und Harmonien.
Vieles ist beim alten geblieben, und doch fallen auch hier wieder besondere Momente ins Auge. Da wäre Demians gewohnt warme, in einigen Stücken ungewohnt heißere Stimme, deren Leidenschaft in „De Espaldas al Milagro“ von Flamenco-Gitarren und dem Klappern von Kastagnetten noch untermauert wird. Dazu Synthies, wie sie eher selten bei Ô Paradis vorkommen, sowie melodramatische Streicher, die nördlich des Mittelmerraumes recht sicher schlagerhaft gewirkt hätten, lassen die leicht verblichene Sepia-Welt alter Fotografien entstehen, in denen sich das Vitale und das Morbide überblendet, in der sich Sinnlichkeit mit dem Dia de los Muertos und den Masken eines James Ensor verbindet.
Musikalisch dominiert in vielen Stücken die erst in den letzten Jahren verstärkt eingesetzte akustische Gitarre, die sich stellenweise ganz dreist gegen raue, noisige Feedbacks behauptet oder ganz monoton wie in „Lombrices de Tierra“, einem Loblied auf die Regenwürmer, einen Gegenpart zu den wehmütigen Geigen bildet. Von getragenen Akkorden und stimmungsvollen Rasseln geprägt ist auch das in seiner leidenschaftlichen Verzweiflung unerreichte „Llega es Amor “, das von einem Gastsänger namens Jota gesungen wird. Irgendwie ist mir die Stimme im Ô Paradis-Kontext schon öfter untergekommen, wer könnte es nur sein?
Zu morbide für ein Liebesalbum und zu sanguinisch für einen Totentanz bietet die Platte gerade die typiche Stimmungsmelange, die Ô Paradis’ raison d’etre ist und irgendwie auch perfekt in unsere leider so oft verkommerzkitschte Helloween-Zeit passt, wenn man diese vielleicht durch die Augen eines Ossian Brown sieht. (U.S.)
Label: Dark Vinyl