CONSUMER ELECTRONICS: Dollhouse Songs

Überraschend schnell legen Philip Best, seine Frau Sarah und Russell Haswell nach dem im letzten Jahr veröffentlichten „Estuary English“ mit „Dollhouse Songs“ einen Nachfolger vor, der an den Vorgänger textlich wie musikalisch anknüpft. Eröffnet wird das Album, dessen Cover Trevor Brown gestaltet hat, mit „History of Sleepwalking“, einem Stück aus verzerrten, brutzelnden Sounds, und (kaum zum Tanzen animierenden) Beats. Best flüstert (und erinnert damit anfänglich an die dieses Jahr auf Diagonal veröffentlichte 12‘ „Repetition Reinforcement“). Dann aber kommt die Eruption, Best brüllt, würgt, erbricht sich: „Now raise the toilet lid […] Smell of rot and freedom / Smeared pig lipstick“, um am Ende dann (wieder nur flüsternd) den Ratschlag zu geben: „Become a fucking insult / And kill them in their beds“.

Natürlich lässt sich das Album politisch lesen, etwa dann, wenn Best in biblischer Diktion auf „The Push“ verkündet: “Woe to the bloody city full of lies and robbery/Today I hear the beat of death in all things/I hear it in the streets and in the parks/You will all die”. Die Vocals werden teilweise nur von ein paar Beats untermalt, am Ende spricht er: „ I hate men and their violence/Their weak murderous minds“. Das ist für Bests Verhältnisse ein (extrem direkt) politisches Stück und auch wenn er jetzt in Texas lebt, so dürften diese Zeilen doch auf Camerons Toryregierung gemünzt sein, auf den Zustand des Vereinigten Königreichs. Aber man sollte nicht vergessen, dass Consumer Electronics nicht die Sleaford Mods sind (auch wenn sie das Label, eine 7‘ und ganz sicher eine gute Portion Zorn teilen), denn es finden sich auf dem Album genug Stücke, die -wie so oft bei Best- gängige Täter-Opfer-Zuschreibungen zum Verschwimmen bringen und auflösen, wie etwa „Knives Cut“, das mit Hochtönen beginnt, bevor brutale Verzerrungen einsetzen. In seiner Hysterie erinnert dieses Analogmassaker an japanische Acts wie z.B. Masonna. Zeilen wie „Let’s pretend you have a brain that functions/Independent of cunt” scheinen bar jeder Empathie zu sein. Dann am Ende aber erneut eine Aufforderung: “slumped spine straighten up/count to 10/ take a breath and burn it all fucking down”. Auf “Condition of a Hole” schreit Sarah Best zu verzerrten Beats: “Bruised from falling/ Bruised from the belt/Repetition repetition/This condition of a hole”. Im Vorfeld der Veröffentlichung mag sich der eine oder andere vielleicht darüber echauffiert haben, dass Best seiner Frau einen Platz am Mikrofon gibt, aber Sarah Best klingt auf diesem Album auf eine wirklich passende Weise unangenehm derangiert, so dass man auch ihr jedes Wort, das sie ausstößt, glaubt. Auf „Murder your Masters“ brüllt sie: “You are a sour leaking body /Wrapped in towels and dropped /Shivering to centre-stage / I am not here to help you”. Auf dem mit fiesen Analogverzerrungen beginnenden “Colour Climax” werden die Vocals mit der Musik scharf kontrastiert, denn Best trägt den Text nur sprechend vor. Inmitten dieser Apotheose der Invektiven fällt „Nothing Natural“ auf: Hochtöne, Lasershots, weitgehend instrumental, lediglich gegen Ende ist Gurgeln und Stöhnen zu hören.

Musikalisch ist interessant, dass – sicherlich auch Haswells Einfluss geschuldet – (kaputte) Rhythmen einen nicht kleinen Teil des Klangbilds ausmachen, ganz so, als wolle Best William Bennett zeigen, dass es nicht nur in Afrika perkussive Musik gibt.

In einer Zeit, in der zunehmend Studenten nach trigger warnings verlangen und überall Mikroaggressionen zu erkennen glauben (gleich Psychotikern, die sich von Mächten jedweder Couleur verfolgt fühlen), damit jedweden Diskurs zum Erliegen bringen und sich letztlich in eine wahrlich selbstverschuldete Unmündigkeit begeben -denn die (Ver-)Weigerung der Auseinandersetzung mit nicht nur queeren, sondern auch queren Gedanken, ist auch eine Weigerung zu denken, man scheint zu vergessen, dass im Adjektiv “bedenklich” eben dieses Verb steckt -, tut es mehr als gut, eine Band zu hören, die die personifizierte Makroaggression ist und deren Werke von einer Vielzahl von trigger warnings begleitet werden müssten. (J.M.)

Label: Harbinger Sound