SIEBEN: Briton EP

Mit der EP „Briton“ bringt Matt Howden alias Sieben nun die über Bandcamp vertriebene Trilogie über den Norden Europas zum Abschluss, die mit „Lietuva“ und „Norse“ begonnen hatte. Nach der Hommage an Litauen, einem Land, zu dem Howden über die Jahre einen besonderen persönlichen Bezug entwickelt hatte, und der dem Skandinavischen gewidmeten Fortsetzung, ist der Sänger und Geiger nun in seiner britischen Heimat angekommen und liefert seine eigene musikalisch-atmosphärische Interpretation dessen ab, was für ihn den facettenreichen Charakter des alten Britannien ausmacht, das die Römer vorfanden, als sie sich in den Zeiten Hadrians anschickten, die Inseln zu kolonisieren.

Wenn Howden auf dieser Reihe eines demonstrieren konnte, dann seine Fähigkeit, innerhalb einer knapp umrissenen Hommage an einen Ort, eine mythologische Figur oder einen anderen singulären Gegenstand eine Vorstellung vom Wesen einer bestimmten Kultur entstehen zu lassen. In den beiden neuen und wieder etwas längeren Stücken auf „Briton“ leben feminine und maskuline, lebensspendende und wehrhafte Aspekte der keltischen Bevölkerung um die Zeitenwende auf, wobei die lyrischen und atmosphärischen Wegweiser vage genug bleiben, um dem Nebel des nur partiell überlieferten Rechnung zu tragen – Matt ist bewusst, dass er sich dabei auf imaginäres Terrain begibt und hat offensichtlich nicht vor, einen pseudorealistischen Historienschinken a la Marion Zimmer Bradley in die Welt zu setzen.

In „Modrun“ wird einer alten Muttergottheit, von deren Name das Wort Matrone abgeleitet ist, gehuldigt, in einem soliden Midtempo-Rocksong, die einmal wieder nur auf Violine basiert, wirken die Blitze, der Donner und der Regen auf beängstigende Art lebensspendend, und der leicht raue und doch runde Charakter des Stücks schafft eine Harmonie, die der natura naturans gut zu Gesicht steht. Unberechenbarer, paranoider die Donnerschläge und aufheulend schrillen Striche auf der Geige in „Hillfort Mindset“, bei dem Soundpartikel wie Funken fliegen und eine nur unterschwellig hörbare Stimme das Errichten einer Festung besingt – ein Vorgang, der eine Kulturleistung darstellt und zugleich fast panisch anmutet. Festungen in buchstäblichen wie metaphorischen Sinn werden immer wieder gebaut, und wenn man will, kann man den Song auch als Allegorie auf vieles betrachten, das heutzutage in der Welt, auch in unseren Breiten, vor sich geht. Dagegen breitet sich „Come, Raven King“ wie ein Segen in alle Himmelsrichtungen aus und lässt mit der melancholisch anmutenden Violine, die hier ganz klassisch gestrichen wird, auch die melodische Eindringlichkeit entstehen, die den beiden längeren Stücken etwas fehlt. Wie auf den vorhergehenden EPs der Reihe wird auch hier wieder – gewissermaßen buchstäblich – der Bogen zu früheren Arbeiten geschlagen: „We Wait“ ist eine noch schmissigere und druckvollere Version von „We Wait For Them“ und wirft durch den gestifteten Bezug zur EP erneut die Frage nach dem Them auf.

In all dem gelingt Sieben ganz nebenbei auch eine wirklich originelle Mixtur aus Innovativen und Retrospektion, bei der man u.a. zweierlei feststellen darf: Erstens, Sieben hat stilistisch reichlich wenig mit Neofolk zu tun, auch wenn er in der entsprechenden Szene eine treue Fangemeinde hat. Zweitens: „Briton“ erbringt einmal mehr den Beweis, dass man die Geschichte des Rock auch dann hätte schreiben können, wenn niemand je auf die Idee gekommen wären, die E-Gitarre zu erfinden. (U.S.)

Label: Redroom