Ein Titel wie „Ritual Machine Music” spielt natürlich mit einer offenkundigen Referenz, und vielleicht soll die gleichzeitige Assoziation zu Ritualmusik und zu Lou Reeds Pionierarbeit zeitgenössischer Geräuschkunst ja auch ein wenig den Ort umreißen, den Marco Bernacchia seinem Projekt Virtual Forest auf der Landkarte ungewöhnlicher Musik reserviert hat. Nach einem Tape, auf dem Bernacchia mit urigen Sounds einem – trotz elektronischer Verfemdung und vielen kleinteiligen Soundideen – eher klassichen Ritualismus frönte, steht seine neue LP ganz im Zeichen eines perkussiven und zugleich noisigen Ritualsound, der all den Schrott einer spätmodernen Zeit, den medialen wie den materiellen, benutzt und zum Ausgangsmaterial einer dennoch archaischen Entgrenzung macht.
Das Stück „The angel of the abyss and the door through the underworld”, das die erste Seite füllt, beginnt subtil, man könnte bei den undefinierbaren Glöckchen, die mit ebenso undefinierebarem Rauschen und Zwitschern verchwimmen und mit der Zeit Ansätze von Melodie entfalten, noch an Drone denken, und die gedämpften Stimmen eines gesampleten Ritualgesangs lassen zunächst eine eher düstere Atmosphäre aufkommen.
Die ekstatiche Perkussion kommt irgendwann eher plötzlich, leitet einen ruckartigen Tempo- und Stimmungswechsel ein, und das Stück entpuppt sich immer mehr als vital und verausgabend. Ihren metallischen Klang offenbaren die Rhythmen sofort, viel zu sehr scheppert und rumort es, um exotisierende Ethnoromantik aufkommen zu lassen, und doch sind die Sounds auch insgeamt zu freundlich, um post-apokalyptisch zu wirken. Dezente Brüche scheinen vor allem die Funktion zu haben, besonders schräge und schrille Soundkomponenten durchcheinen zu lassen, und wenn zwischen dem Rattern der Metallteile und unverständlichen Radiosamples ganz subtil Technoides anklingt, hat man das Gefühl, dass hier jemand am Werk ist, der recht viel für seine archaiche Energie fruchtbar zu machen weiß.
Das die zweite Seite ausfüllende „The twenty thousand drums of the shamanic conspiracy” beginnt mit einem seltsam jazzigen Summen und Blubbern und geht unmittelbar über ein einen Polyrhythmus, der weniger aggressiv, dafür weitaus trancehafter als die Perkussion des ersten Stückes ist. In permanenter Variation beansprucht der Beat gerade soviel bewusste Aufmerksamkeit, dass einige der zahlreichen Details der dahinterliegenden Klangkollage ihren Weg ins Bewustsein finden: Gesamplete menschliche Stimmen, mal sprechend, mal hektisch brüllend, mal einen a capella anstimmend, knurrende und fauchende Raubtiere, Instrumente wie Flöten und Didgeridoo. Dass dieses Mash-up auch nach zwanzig Minuten nichts von seiner Sogkraft verloren hat, legt die Vermutung nahe, dass hier jemand auf seiner Suche nach einer verborgenen Archaik in den unenkbarsten Winkeln unserer Welt fündig geworden ist.
Die Ritualmaschinenmusik erschien soeben auf 250 schwarzen Scheiben (U.S.)
Label: Yerevan Tapes