PARK JIHA: Philos

Obwohl die Multiinstrumentalistin Park Jiha bereits seit 2016 unter ihrem eigenen Namen Musik herausbringt und seitdem ihr Bandprojekt 숨[suːm] auf Eis gelegt hat, ist erst das gerade erschienene “Philos” ein Soloalbum im engeren Sinne. Für dieses Werk spielte sie alle Instrumente – die einer Oboe vergleichbare Bambusflöte namens Piri, das dem Hackbrett ähnliche Yanggeum, eine koreanische Mundorgel namens Saenghwang sowie diverse Perkussions-Instrumente – selbst im Studio ein und komponierte so eine Musik, deren kohärenter und konzentrierter Entstehungsprozess sich auch im Ergebnis abzeichnet. Dem zum Trotz knüpfen die meisten der Stücke, in denen erneut koreanische Spielweisen mit Neuer Musik, Minimalismus, Postrock und eine Brise Jazz zusammenfinden, an frühere Arbeiten mit Begleitmusikern an.

Es mag für einige weit hergeholt klingen, aber für mich hat “Philos” zwei Seiten. Da ist zum einen ein Großteil der instrumental gehaltenen Kompositionen, die nach eigener Angabe ihre Liebe für Zeit, Raum und Klang ausdrücken. Vielleicht sind die repetitiven, oft pulsierenden und doch stellenweise an bestimmte Klaviertechniken erinnernden Parts mit dem gehämmerten Yanggeum als tonangebendem Instrument ja der Faszination für die Zeit geschuldet. Dazu zählen das zwiespältig tastende und zugleich rastlos nach vorn drängende “Thunder Shower” oder das minimalistische “Pause”, das sich über einer rauschenden Brandung ausbreitet. Dem entsprechend scheinen sich vom wehmütig klagenden Klang der Piri geprägte Stücke wie das anrührende “When I Think of Her” oder das leicht atonale und auf den ersten Eindruck versponnen anmutende Titelstück stärker im Raum auszubreiten, wohingegen diejenigen Tracks, bei denen beides einen ähnlich großen Raum einzunehmen scheint (allem voran der Opener “Arrival”) wie ein mehrstimmiger, allzu eingängige Harmonie bewusst vermeidender Stimmenchor zu funktionieren.

Zum anderen wäre da der einzige Gastbeitrag des Albums – der Song “Easy”, der mit dem klar gesprochenen Monolog der Libanesin Dima El Sayed und Jihas wunderschön klagender Piri im Hintergrund aus der Reihe fällt. In schonungslos nüchterner Prosa stimmt er einen Abgesang auf jene scheinheilige Pseudospiritualität an, die unter den Start up-Menschen der westlichen Großstädte längst zum Wellness-Substitut und Spießer-Eskapismus heruntergekommen ist – in guter Gesellschaft mit bio, vegan, lowcarb und anderen Distinktionsfloskeln eines pseudoachtsamen Lifestyle, denen die Künstlerinnen hier die Situation derer gegenüberstellen, in deren von Nöten geprägter Existenz kein Raum für Yoga, Flow und Body Balance ist, und denen auch nicht mit Loslassen geholfen ist. Man muss freilich nicht jede Hinwendung zu östlicher Spiritualität verurteilen, aber da gewisse Ausprägungen nicht vor Ignoranz und Verspießerung gefeit sind, scheinen mir Polemiken wie diese nötig und wertvoll. “I take it as hard as I can”, lässt El Sayed ihr lyrisches Ich den Takt it Easy-Klischees des trendigen New Age-Kitsches entgegenschleudern.

Park Jiha sagte, dass ihr neues Album v.a. das Resultat einer Hinwendung zum eigenen Inneren als kreativer Quelle und somit auch ein Produkt der Selbstermächtigung ist. In gewisser Weise kann man auch den Monolog, der sich gegen die Übernahme trendiger Imperative richtet, mit dieser Entscheidung unter einen Hut bringen, so dass am Ende auch in dieser Hinsicht eine runde Sache daraus geworden ist. (U.S.)

Label: tak:til / Glitterbeat