Inmitten der Transgression über alles liebenden Power Electronics-Szene situierte sich das aus der Lovecraft-Heimatstadt Providence kommende Duo Shallow Waters eindeutig in einem linken, anarchistischen Kontext. Ihr 2008 auf Hospital Productions erschienenes Langzeitdebüt „Equal Eyes“ präsentierte in Artwork und Texten die USA als Land, das noch immer von Jim Crow und dem Vietnamkrieg, dem vielleicht zusammen mit 9/11 noch immer größten Trauma der USA, geprägt war.
Shallow Waters veröffentlichten in Eigenregie noch einige Tapes und lösten sich dann auf. Das unveröffentlichte Material von „The Sleepwalkers“, 2009 aufgenommen, wurde vor einigen Jahren von der Band digital angeboten, kürzlich ist es von Phage Tapes erstmalig als CD veröffentlicht worden.
„Mouth“ erinnert mit seinem relativ klaren und transparenten analogen Brummen und in seiner Zurückhaltung, auf der die Aggression zumindest anfangs eher latent als manifest wird, an Whitehouse zu Zeiten von „Quality Time“. Die Vocals sind in ihrer Derangiertheit wirklich beeindruckend. „Let Me Work“ ist dagegen brachialer: Verzerrungen, irres Schreien, Soundschleifen, die so etwas wie Rhythmus erahnen lassen. Die analoge Brutzelfläche “Humans” knüpft daran an. Das Kernstück des Albums ist allerdings das auf Texten der taubblinden Autorin und Aktivistin Helen Keller basierende „Sleepwalker“- nicht nur allein wegen seiner Länge von 16 Minuten. Hier wird versucht andere, für das Genre untypische Instrumente in das Klangbild zu integrieren, nämlich Schlagzeug und Geige. Ob es durchgängig funktioniert, konventionelle Instrumente mit den brutalen Noisekaskaden und Schreien zu kombinieren, sei dahingestellt, aber insgesamt ist “The Sleepalkers” eine starke Veröffentlichung, die bedauern lässt, dass die Band nicht mehr existiert.
Das Booklet enthält ein Zitat der amerikanischen Anarchistin Voltairine de Cleyre, die zuletzt noch Timothy Renner auf dem Albatwitch-Album zu Wort kommen ließ, u.a. heißt es: „I am an Anarchist, and if for this you condemn me, I stand ready to receive your condemnation“. Diese zehn Jahre alten Aufnahmen sind sicher nicht der schlechteste Soundtrack für ein Amerika, das von einem Mann regiert wird, der sich solche Zettel schreiben muss. (MG)
Label: Phage Tapes