HIMUKALT: Sex Worker II

Unter dem Projektnamen Himukalt hat Ester Kärkkäinen in den vergangenen Jahren eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, die sich im Bereich Noise und Power Electronics verorten lassen. Was die thematische Ausrichtung anbelangt, so gibt sie auf ihrem ursprünglich 2017 erschienenen Album „Vulgar“ eine Zusammenfassung: „much of the themes in Himukalt deal with human sexuality. In particular, mine“.

Als William Bennett vor etlichen Jahrzehnten das „Bradford Red Light District“-Album unter dem Projektnamen The New Order veröffentlichte, sollte der Eindruck eines Gangs durch das titelgebende Rotlichtviertel erweckt werden, wohl weniger gedacht als Dokumentation denn als Evokation und Provokation, schließlich waren die Aufnahmen gar nicht dort gemacht worden.

Kärkkäinens Ansatz auf „Sex Worker II“, der erste Teil erschien ebenfalls auf Total Black, ist da ein (ganz) anderer, versteht sie das Album doch als Hommage an Sexarbeiterinnen auf der ganzen Welt, denen offenbar im doppelten Wortsinne eine Stimme verliehen werden soll, finden sich doch inmitten der Noisekaskaden immer wieder Äußerungen der Frauen: „Panic Attack“ beginnt mit einer weinenden Frau, analoges Brutzeln und fräsende Töne setzen ein. Am Ende heißt es: „I masturbate all the time to make the panic stop, just to calm down. Just to function again.“ Auf „Open My Eyes“ hört man Brummen, verzerrte Stimmfetzen, Atmen und Stöhnen (durchaus doppeldeutig zu lesen). Auf dem sehr kurzen „Interlude 4“ kommt wieder jemand zu Wort: mit verfremdeter Stimme heißt es, man sei „very fucked up“. Bei “Limitless Series of Natural Disasters“ verrschmelzen die brutalen Vocals mit der Elektronik, so dass sich kaum noch sagen lässt, was (menschliche) Stimme und was Maschine ist. „Another Body“ lässt Rhythmus erahnen. Was auffällt ist, dass Kärkkäinens Stimme kaum eine eindeutige geschlechtliche Zuordnung zulässt.

Insgesamt ist „Sex Worker II“ durchaus ruppig, aber vielleicht etwas weniger aggressiv als einige ihrer früherer Arbeiten, von der (be)drückenden Stimmung muss man passagenweise an den fühem MB denken. Diese Hommage ist sowohl von der musikalischen Ausrichtung als auch von den verwendeten Zitaten weit davon entfernt  diese Profession als Ausdruck einer selbstbestimmten Sexualität zu verstehen, zu desolat und deprimierend klingen die Stimmen derjenigen, für die Sex dann tatsächlich Arbeit ist. (JM)

Label: Total Black