In musikalischen Gefilden jenseits des Rock, wo Bands meist eher “Projekte” um eine zentrale Hauptfigur sind, ist es immer wieder interessant zu fragen, warum sich jemand irgendwann zu einem Soloalbum entscheidet – vor allem dann, wenn sich die Themenwahl, die stilistische Ausrichtung und auch der kleine Kreis an Mitwirkenden nicht allzu deutlich geändert haben.
Der Melbourner Adam Geoffrey Cole, der für mehr als ein Jahrzehnt mit seiner Band Trappist Afterland die alternative Folkwelt bereicherte, ist auf dem erstmals unter seinem eigenen Namen veröffentlichten Album “Fallowing” vielen Gewohnheiten treu geblieben: der fragilen Weltentrücktheit seines Saitenspiels und Gesangs, der mystischen Poesie seiner Texte, der schwermütigen und oft zugleich euphorischen Stimmung seiner Songs, der sich durch alle Stücke ziehende Eindruck starker Empathie, der bei aller Versunkenheit kein Gefühl des Abgehobenen, Eskapistischen aufkommen lässt.
Manchmal ist es eine Frage des Mutes, Musik unter dem eigenen Namen zu spielen, doch was “Fallowing” zum perfekten Moment dafür macht, ist der sehr persönliche Ton, den das ganze Album über spürbar ist, auch wenn es in dieser Hinsicht eine Fortsetzung des etwas zaghafteren und bisweilen spröderen “Seaside Ghost Tales” sein mag. Und doch unterscheiden die beiden Alben sich sehr, war das finale Trappist-Album doch über viele Strecken eine conclusio, eine Rückschau auf Vergangenes, das (auch) der Trauer eine Stimme gab. “Fallowing” blickt ebenfalls zurück, vergegenwärtigt dabei aber v.a. vergangene Momente des Neubeginns.
Das Cover ziert eine Aufnahme aus Coles Kindheitsort Kiama an der Ostküste Australiens – die Stadt der Geburt, der Mutter, des Sonnenaufgangs über dem Pazifik. Direkt oder indirekt kommt sie immer wieder in den Songs vor, in ihr offenbart sich das Leben als Fabel und Allegorie, sie ist der Schauplatz, an dem man die Verwobenheit von Werden und Vergehen erkundet. Immer wieder kommt der landwirtschaftliche Zyklus des Jahres zur Sprache, Erinnerungen an Breughels Jahreszeiten werden wach, und besondere Bedeutung kommt dem Nicht-Bearbeiten des Landes zu, dem Feld, das man eine Zeitlang brachliegen lässt, worauf auch der Titel des Albums anspielt. Und alles in diesem Schauplatz ist bis zur Beseeltheit symbolisch aufgeladenen.
Man kann viel zu den einzelnen Songs sagen, aber man sollte ihrer Magie keine Gewalt mit dem Seziermesser antun. Die ersten drei Songs allein könnten einen Zyklus von Geburt, Leben und Tod ergeben: Das in seinem Anfangszauber fast rauschhafte “Pools of Christ”, das schon nach wenigen Sekunden des Finger Pickings die typische Cole-Handschrift erkennen lässt, das entspannte und gleichsam anrührende “Life is a Fable” und das schwermütige “Bell Tongues”, das die Vermählung von Leben und Tod von hypnotisierenden Glocken besingen lässt und trotz aller Morbidität ein wunderbarer Ohrwurm ist.
Einige der folgenden Songs greifen solche Themen auf, lassen einen Zauber des Werdens (“Womb”, “Sunrise”) entstehen oder feiern das Eingebundensein des Lebens in ein größeres, kosmisches “Fabric of Being” – so der Titel eines Liedes, das in einer anderen, elektronischeren Version bereits zusammen mit Grey Malkin gespielt wurde. Hier leistet ihm sein Trappist-Kollege Anthony Cornish am Harmonium Gesellschaft, und zusammen haben sie einen Song geschaffen, der die unruhige Exaltiertheit, die sich unter der Oberfläche vieler Stücke Coles findet, einen besonders deutlichen Ausdruck verleiht. Aufgefangen wird diese durch einen für Cole typischen feierlichen Ton, der auch den traurigeren Stücken wie dem mit Inbrunst geschrammelten “Matins” mehr als nur eine Brise Glückseeligkeit mitgibt. Solche Songs wissen die Grundstimmung der Hörer aufzugreifen und entfalten so eine ganz individuelle, unvorhersehbare Wirkung.
All dies lässt nichts an Dichte vermissen, weswegen man vielleicht auch erst mit der Zeit registriert, dass die Instrumentierung auf “Fallowing” wesentlich zurückgenommener ist als auf den meisten Trappist Afterland-Aufnahmen – statt Dulcitar, Glocken, vielfacher Perkussion, Banjo, Oud und vielem mehr konzentriert sich hier alles auf Stimme, Gitarre, Harmonium, dezenten Streichereinsatz und eine kurze Drehleiersequenz beim Traditional “The Saddest Man”.
Dies alles funktioniert sicher auch aufgrund der Eingängigkeit und Unmittelbarkeit der Songs, deren schwermütig eingefärbte Verzücktheit weniger an die behutsameren “Seaside Ghost Tales” anknüpt als an die vorausgegangenen Alben seit “Afterlander”, allen voran “God’s Good Earth”. Da kann man David Tibet nur zustimmen, wenn er “Fallowing” als most poignant in Coles Werk hervorhebt. (U.S.)
Label: Sunstone Records