TRAPPIST AFTERLAND: Seaside Ghost Tales

Trappist Afterland haben in den letzten zehn Jahren auch ohne deutliche Stilwechsel eine enorme Wegstrecke zurückgelegt und gelten spätestens seit “Afterlander”, das vielleicht das Album zum Kennenlernen der Band ist, als einer der besten dunklen Folkacts unserer Zeit. Auf neun Studioalben, zwei Splits und zahlreichen kleineren Veröffentlichungen gibt es keinerlei kraftlose oder uninspirierte Momente, ganz gleich ob man eher die zerfledderten psychedelischen Konzeptalben des Frühwerks mit ihren fragilen akustischen Fantasiewelten in den Fokus rückt oder eingängigere Platten wie “God’s Good Earth” oder “Insect in Amber”, bei denen Adam Coles sensitiv-entrückte Stimme demonstriert, dass sie auch die klassischeren Songformate beherrscht.

Jüngst kündigte Cole, der neben dem Gesang für zahlreiche Instrumente zuständig ist, das Ende des Projektes an, und da er keineswegs zur Schwätzerfraktion zählt, scheint es Trappist Afterland nun tatsächlich nicht mehr lange zu geben. Natürlich raten ihm viele Fans davon ab, verständlicherweise, weshalb ich mich da auch ohne Umschweife anschließe. Trappist Afterland sind jedoch derart aktiv gewesen in den letzten Jahren, dass man keine Sekunde an einem würdigen Nachleben zweifeln sollte – und das ist bei allem Bedauern besser als ein künstlich aktiv gehaltenes Projekt, das sich schwer tut, an früher Größe anzuknüpfen und doch nicht aufhören will.

Zu einem solchen Abschluss oder Übergang gehört m. E. auch so etwas wie eine Summa oder ein Opus Magnum, das noch einmal im großen Rahmen alle Besonderheiten einer Band in sich vereint und all den Dingen Ausdruck verleiht, die noch gesagt werden sollten. Etwas in der Art liegt jetzt mit “Seaside Ghost Tales” vor, das mit sechzehn auf zwei LPs verteilten Songs das bislang umfangreichste Trappist-Album geworden ist. In der Tat enthält das Werk (vielleicht ungewollt) einige Reminiszenzen an unterschiedliche Phasen der letzten zehn Jahre und bewahrt mit einem mehr als soliden Instrumentarium (u.v.a. Gitarren, Oud, Dulcitar, Tanpura, Bozouki, Bodhran, Harmonium, Mellotron, Flöten, Piano, Glöckchen) eine geschickte Balance zwischen eingängigen und herausfordernden Momenten.

Gerade in den ersten Stücken des Albums fühlt man sich auf merkwürdige Art an die experimentelleren Songs früher Aufnahmen erinnert, ebenso an die Tatsache, dass Coles musikalische Wurzeln zum Teil im Rock liegen. Das eröffnende “Serpent’s Isle” lässt mit orientalischen Klängen und raschelnden Becken einen spannungsgeladenen Fatalismus entstehen, der sich trotz Coles fragilem und zugleich leidenschaftlichem Gesang über die ersten Abschnitte hinweg hält – so beim darauffolgenden “Calling of the Quarters”, bei dem schmerzhaft bohrende Dröhnung den Hintergrund abgibt für ein gnostisches Gebet, bei dem Alan Davidson von Kitchen Cynics die Erzengel beschwört. Seine Rezitation wird leitmotivisch wiederkehren, doch zunächst leiten unruhige Ambientsounds in den ersten Folk-Ohrwurm “Paperboats” über. Hier begegnet einem erstmals wieder die entrückte Melodik, die in den letzten Jahren so viele Current 93- und In Gowan Ring-Fans von Trappist Afterland einnahm. Auch das Traditional “The Unquiet Grave” im Duett mit Lucy Roleff ist trotz Titel und Thema eher angenehm “cocooning”.

Gerade viele Stücke der zweiten Scheibe docken an die eingängigen Strukturen der letzten Jahre an, was das Album streckenweise wie eine Reise durch die Geschichte der Band anmuten lässt: Das auf einer apokryphen Geschichte basierende “Twelve Sparrows (In the Infancy of God)” ist schon der erste Höhepunkt von Coles immer märchenhaft anmutender gnostischer Erzählkunst, bei der Tiefe und eine gewisse Leichtigkeit in traumhafter Entrücktheit einen eigentümlichen Bund eingehen, Tracks wie das schon von einer 7″ her bekannte “Sacred Geometry”, “The Man Who Beded Time” oder “Travellers in the Mind of God” stehen dem in nichts nach. Dass sich dieses Stimmungsgemisch auch in der Musik spiegelt, tritt vielleicht am deutlichsten zutage, wenn die verspielte Melancholie in Adam Coles Gesang und Gitarrenspiel in Anthony Cornishs etwas schwererem Harmoniumspiel ihren geerdeten Gegenpart findet. Das dronige, asiatisch beeinflusste “Last Trip to the Sun”, das direkt aus einer hippiesken Folkplatte der 70er gefallen sein könnte, ist da vielleicht das beste Beispiel.

Dass das Album einen Ort und die Geister im Titel hat, scheint mir nicht zufällig gewählt, denn in den Songtexten, die sich stark um Fragen der Verbundenheit, um das Halten und Loslassen von Liebgewonnenem drehen, scheinen vertraute Orte, aber auch deren Geister eine große Rolle zu spielen. “Death Becomes Gold” kündet von dem Glauben an Transzendenz und liefert mit seinen hochtönenden Gesangspassagen und dem anrührenden Banjostrumming ganz nebenbei einen der Höhepunkte des Albums. Das schon erwähnte “The Man Who Bended Time”, das wehmütige “How Ricky Got His Wings” und v.a. das wunderschöne “God is a Black Dog” geben diesen Motiven eine noch persönlichere Dimension. Von Dankbarkeit durchdrungene Geisterarbeit bestimmt auch das ältere und aus der Feder Neil Sweeneys stammende “Golden Neighborhood Closing”, das der Liebe zu einem Ort ein wenig kitschiges, sondern ein eher gebrochenes Denkmal setzt.

Trotz dieser Fülle und des abschließenden Charakters haben sich Trappist Afterland mit “Seaside Ghost Tales” kein eigenes Denkmal gesetzt, sondern ein unprätentiöses Werk geschaffen, dass so lebendig wirkt, dass man auf künftige Arbeiten Coles nur gespannt sein kann. Mehr dazu bald im Interview. (U.S.)

Label: Sunstone Records