Schon auf Throbbing Gristles „D.O.A.: The Third And Final Report”, als jedes einzelne Bandmitglied einen Solotrack beisteuerte, wurde eine Seite von Chris Carters Vorlieben deutlich: „AB7A“ war sowohl im Titel als auch in der musikalischen Herangehensweise seine Hommage an das jüngst reformierte schwedische Quartett. Mit Cosey sollte er seitdem zahlreiche Alben als Chris & Cosey, CarterTutti und zuletzt noch CarterTuttiVoid aufnehmen. Carter hat außerdem eine Reihe von Soloalben aufgenommen.
2018 erschien Carters erstes Soloalbum nach 17 Jahren, über das es hier hieß, es enthalte „in sich abgeschlossene[...] Miniaturen, die der Komplexität elektronischer Musik in all ihren Facetten mehr als gerecht werden.“
Nun macht Mute zwei Remixalben von Carter wieder zugänglich, die lange Jahre vergriffen waren und die von Labelseite als „radikale Ambient-Überarbeitungen“ früher Aufnahmen apostrophiert werden. Während Teil Eins Carters erstes, 1980 erschienenes, Soloalbum „The Space Between“ einer Bearbeitung unterzog , basiert der dritte Teil auf Rhythmusspuren von Throbbing Gristle-Tracks. Carters Titel spielen an die der Originaltracks an.
Aus dem treibenden „Something Came Over Me“ wird der Wiedergänger „Someone Came Over Me“: eine minimalistische, vor sich hin pluckernde Nummer, bei der gegen Ende melancholische melodische Tupfer einsetzen. „Hamburger Lady“, eines der bekanntesten und berüchtigtsten Stücke TGs, das es auch schon einmal auf eine Liste von furchteinflößender Musik geschafft hat, taucht hier auf als „Hamburger Man“ mit verhallenden, vorsichtig tastenden, bassartigen Sounds und im Hintergrund dröhnenden Flächen. Die Burroughshommage „The Old Man Smiled” metamorphosiert zu einem leicht rhythmischen, von kristallinen Klängen durchzogenen Stück namens “The Old Man Died”. Das stampfende „Discipline“ ist als „Indiscipline“ eine Minimaltechnonummer. Aus dem Elektropopstück „Hot On the Heels Of Love”, das sicher einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die Entwicklung elektronischer Musik hatte, macht Carter als “Not On The Heels Of Love einen Track, der an späte Aufnahmen von Asmus Tietchens erinnert. „Still Talking“ klingt, als versuche sich R2D2 auf der Tanzfläche. Das auf “20 Jazz Funk Greats” von staccatohaften Rhythmen durchzogene „What A Day wird zu “What Is Today” mit seltsam vor sich hin pulsierenden Klängen.
Was alle insgesamt 12 Stücke (ver)eint, ist eine gewsse Unruhe, die wenig gemein hat, mit den flächigen Ambientstücken, die im schlimmsten Fall als fiese New Age-Soße die Ohren zukleistern. Carter zeigt sich hier als Klangmeister, der abseits des Transgressiven, das die Throbbing Gristle-Aufnahmen prägte, reduzierte, leicht irritierende Tracks erschaffen hat. (MG)
Label: Mute