GAMMELSÆTER / MARHAUG: Higgs Boson

Lasse Marhaug hat in den letzten Jahrzehnten ein quantitativ wie qualitativ beeindruckendes Werk veröffentlicht, das irgendwo zwischen Noise, Metal, Jazz und (weitaus) mehr anzusiedeln ist, Gammelsæter sang als 17-Jährige beim kurzlebigen Projekt Thorr’s Hammer (mit Greg Anderson und Stephen O’ Malley), später bei Khlyst mit James Plotkin, sie veröffentlichte auf Utech Records ihr Solodebüt und ist ansonsten recht erfolgreich in ihrem Brotberuf als Biologin. Marhaug und sie haben erstmals vor einigen Jahren auf „Quantum Entanglement“ zusammengearbeitet. Während auf jenem Album allerdings lediglich zwei sehr lange Stücke zu finden waren, ist „Higgs Boson“ mit acht kürzeren, zwischen 3 und 10 Minuten langen Stücken, etwas anders ausgerichtet, wobei das sicher nicht heißt, man nähere sich einem (konventionellen) Songformat an.

„Higgs Boson“ ist konzeptionell dicht ausgefallen: Beide brachten unterschiedlichste außermusikalischen Einflüsse mit in den Kompositionsprozess ein, u.a. Regissuere wie Takashi Ito und Toshio Matsumoto, Comiczeichner wie Philippe Druillet und Jean Moebius Giraud (Marhaug), Hesses „Glasperlenspiel“, das titelgebende Higgs Boson, Tarot (Gammelsæter).

Das Album beginnt mit „The Stark Effect“: Gammelsæters Stimme, die zwischenzeitlich mit den Drones zu verschmelzen scheint, lässt an eine dämonische Lisa Gerrard denken. Hier – wie auch in anderen Stücken – changiert sie zwischen einem besessen-sakralen Stöhnen und Death Metal-Growl. Letztlich klingt sie wie ein Hybrid aus Diamanda Galás und Attila Chisar. Das Stück würde sich sicher gut auf einem Soundtrack des „The Conjuring“-Franchise vorstellen.  Auf „The Magus“ flüstert und würgt sie die Worte heraus, dabei nur von dezent minimalistsichem Knistern und seltsamen Geräuschen untermalt: „We are born and we die“, heißt es. Langsame, vereinzelte Schläge künden „Static Case“ an, auf dem sich die Stimmen verdichten und man meint, in einer Wolke von Zikaden gelandet zu sein. Auf „Ondes De Fase“ lassen die Drones an eine in der ferne hallende Sirene denken, mit der die Stimmme zu verschmelzen scheint: Worte, Wörter lassen sich nur erahnen. Die Dissonanzen auf „Forces“ lassen einen kurz denken, die Lautsprecher seien defekt. „Propeller Arc“ integriert Orgel in das Klangbild, „Hadron Collider“ etwas, das an eine Trompete denken lässt, eine E- Gitarre setzt ein und wieder und wieder ruft Gammelsæter den Äther an „that surrounds as and penetrates us, crushes us“. „These Questions“ beendet dieses beeindruckende Album und zeigt noch einmal die Vielseitigkeit von Gammelsæters Stimme.

Label: Ideologic Organ