Sergio Calderón und Céli Lee, deren gemeinsame Arbeiten neben der Musik noch weitere Medien (Gemälde, Zeichnungen, Texte) umfassen, erfinden ihre künstlerische Vision stets neu, auch wenn es einige Konstanten gibt. Ihre Aufnahmen, die fast immer den Charme schummriger ambienter Nachtstücke haben, basieren auf einer Mischung elektronischer und akustischer Klangquellen und bewahren sich immer ein Minimum an Groove, das je nach Release einen leichten Jazzcharakter oder ein Hauch von Americana haben kann. Dem entgegen stehen Details einer etwas sperrigeren Klangkunst: kratzende, rauschende, hörspielhafte Sounds, die dem ganzen vielleicht einen Hauch von Dystopie verleihen.
Auf der Grundlage alldessen sind allerdings alle bisherigen Veröffentlichungen stets individuell ausgefallen, indem sie diese und einige andere Komponenten unterschiedlich gewichteten. Das erste gemeinsame Album, dass die beiden noch zusammen unter dem Projektnamen MU herausbrachten, war eine Kombination aus CD und Buch, bei der Zeichnungen Celis auf eine recht experimentelle Version ihrer Musik trafen. Das erste unter ihren bürgerlichen Namen veröffentlichte Album “The Eternal Dice” hatte einen rein musikalischen Schwerpunkt und war die bislang songorientierteste Arbeit der beiden und die bisher einzige, auf der Celi durchgehend auch als Sängerin präsent war. Im vorigen Jahr erschien die EP “Iron String”, die wieder zusammen mit einem Buch – es enthielt neue Gemälde Celis und einige Gedichte Calderons – erschien und eine nicht nur musikalische Hommage an eine neue Komponente im Werk der beiden darstellte: englischer Progrock der 70er, und auch diese Einflüsse ließen sich so einbauen, dass sie zum Stil der beiden passten.
In der bisher nur digital erhältlichen EP “The Beginnings (Part I.)” steht nun wieder einzig die Musik der beiden im Zentrum, und wieder steht auch die jeweilige Gewichtung songhafter und geräuschorientierter Elemente in den vier rein instrumentalen Tracks zur Diskussion. Die kleine Sammlung startet mit dem untypischsten Stück von allen, dem seltsam betitelten “Orphes / Instructions, Selected Notes of the Half-Finished Summary”. Eine schöne, schlicht-melancholische Tonfolge auf der Gitarre führt durch das Halbdunkel des nur knapp über zwei Minuten langen Stücks, doch es tut sich noch einiges mehr – ein ganzes Arsenal an rauschenden und rumpelnden elektronischen Details stellt sich dem entgegen, doch letztlich können sich beide nichts anhaben. Ist die Szenerie erst verweht, baut sich eine wesentlich rauere Soundkulisse auf, die einen allerdings auf die falsche Fährte lockt, denn “Lines of Thought” entpuppt sich am Ende, trotz spannungsgeladenem Beckenrauschen als noch weitaus filigraner. Interessant ist, dass sich in das von den beiden bekannte noirhafte Ambiente über die freundliche Gitarrenmelodie ein seltsam renaissanceartiger Zug mischt, den man fast für eine Fata Morgana halten könnte, würde er nicht so gut ins Gesamtbild passen.
Das alles steigert sich im Grunde in “Unforgettable now”, bei dem die deutlicher elektronisch ausgefallenen Sounds gegen Null gehen, und das gleich mit akustischen Twangs beginnt. Und hier steigert sich das auch wieder leicht renaissancehafte Fingerspiel in etwas, das an den Auftakt eines Flamenco-Stücks erinnert. Diese schöne, leider nur zweieinhalb Minuten lange Miniatur ist keineswegs frei von Spannung und Unruhe, dafür sorgen schon die zischelnden Becken und der repetitive Charakter einiger Gitarrenmotive. Man fühlt sich, als würde man leicht zugedröhnt einen wunderbaren und zugleich gefahrvollen Ort betreten. Nach diesem Höhepunkt wirkt das abschließende “My Colour is the Silence” tatsächlich wie ein kleiner Abspann, bei dem man sich mit tastenden Bewegungen, die auf Saiten und in perkussiv bearbeiteten Resonanzkörpern wiederhallen, hinaus in eine ödere Wirklichkeit begibt. (U.S.)
Label: Entertaining Violence