Ziemlich überraschend taucht gerade wie aus dem Nichts die zwei Stücke umfassende EP “Destroy, She Said” auf, mit der Nikolas Schreck die Zeit zwischen seiner mit “O, A Weird Flower” abgeschlossenen Album-Trilogie und dem im nächsten Jahr erscheinenden Longplayer “Time Machine” füllt.
Das Release, das in Zusammenarbeit mit der Cellistin Isabella Olivia Branco und dem Mehrfachinstrumentalisten Gonzo M. entstanden ist, hat im Unterschied zum kommenden Album, das opulent und stilistisch variationsreich ausfallen wird, einen eher klassischen Sound und eine konzentrierte, kontemplative Aura, die sich auch vom croonerhaften Stil der bisherigen Solo-Releases unterscheidet. Sein Titel referiert, wenngleich angeregt durch eine zufällig entdeckte Street Art in Berlin, auf die englische Übersetzung eines Werks von Marguerite Duras, das auch unter ihrer eigenen Regie verfilmt wurde. Mir ist der Inhalt der Erzählung nicht bekannt, aber falls der Titel auf die Energie des Weiblichen – auch in seiner als bedrohlich empfundenen Form als Femme Fatale – verweist, dann könnte sich einiges davon in den vorliegenden Songs finden.
Der Titelsong ist eine flächig aufgebaute Komposition, deren mit Streicherparts durchwobene Keyboardsounds hypnotisch anmuten und doch zu aufwühlend sind, um als kosmischer Ambient oder ähnliches zu gelten. Auch die paukende Perkussion gegen Ende scheint dies zu bestätigen. Wenngleich keine weibliche Stimme in dem Song zu hören ist, bekommt man dennoch den Eindruck, sie deutlich zu spüren, vielleicht weil im feierlich beschwörenden Singsang des Textes von einem himmlisch klingenden Sirenengesang die Rede ist, dem man schutzlos verfällt, auch wenn einem das Fatale des Nachgebens wie einst den Fischer in Goethes Gedicht bewusst ist. Schnell zeichnet sich die Geschichte einer Verführung ab, die Stoff eines farbenprächtigenJugenfstilgemäldes oder eines lasziven Neo Noir sein könnte.
Die lustvoll ambivalente Akzeptanz, mit der hier – ähnlich wie schon im Song vom “Futura Model” – der Verführung nachgegeben wird, hat nichts entsagendes, und an einer Stelle wie dieser merkt man, dass hier ein Tantriker am Werk ist. Und zugleich ein Verehrer der sinnlichen Schönheit, der sich nicht nur vor ihren harmlosen Seiten, sondern auch vor der Überwältigung, die von ihr ausgeht, verneigt. Mit assonierenden Versen wie “My foolish dreams she shut it down in flames / She always changes the rules of the game / Builds me up, to knock me down again” könnte der Song auch eine Antwort auf ein berühmtes Stück von Nico und The Velvet Underground sein. Der ambiente Sound, der den Gesang immer etwas zu sehr umhüllt, um nur eine Kulisse zu sein, trägt ein verzaubert anmutendes Glitzern in sich, das die Illusion, die es illustriert, schon enthält. Dazu zeichnet das Cello, das bisweilen wie eine Violine gespielt wird, wehmütiger Ornamente, die dem Ganzen eine klassische Ernsthaftigkeit und zugleich eine Brise Melodrama beigeben.
Das zweite Stück “The Observer” kommt weitaus pulsierender daher, zwischen dem stoischen Takt webt ein grandioses Cello eimal mehr elegische Muster, die immer auch einen Schuss Euphorie anklingen lassen. Vom Text her mutet der Song weitaus enigmatischer an: Auch hier findet (in einer eleganten Villa am Meer, im “Orbit of the Oligarch”) eine spannende Verführungsszene statt, bei der die geheimnisvolle Verführerin wie eine unerhörte Begebenheit auf den Plan tritt und ihr Opfer in seiner Not verlacht. Auch hier wird das Ganze durchaus ästhetisiert durch eine ritterliche Brille, die heute wie ein Relikt aus sinnenfreudigeren Zeiten anmuten muss, und die sehr gut in einen stylischen Film der 60er oder 70er Jahre passen würde. Auch die von den Streichern erzeugten Spannungsmomente scheinen aus einem klassischen Filmrepertoire zu stammen, ganz zu schweigen natürlich von der Kamera, die hier vom geheimnisvollen Observer verkörpert wird, bei dessen Auftritt laute Glocken erschallen. Handelt es sich bei diesem Beobachter um eine letzte Bastion des Nichtverführbaren im Bewusstsein des lyrischen Ichs, die nur registriert und nicht bewertet? Oder ist es ein Beobachter im äußeren, der alle Akteure gleichermaßen durch eine Kamera schaut? Jess Franco hätten beide Szenen gefallen.
Auch wenn das Glitzern in der Dröhnung des Titelsongs an manche Momente des Kingdom of Heaven-Albums erinnert, bildet das kleine Release doch eine eigene Kategorie innerhalb der neueren Schreckprojekte. Es ist weit mehr als ein Albumteaser, weshalb es durchaus schade ist, dass es nicht länger ausgefallen ist. Doch wer weiß was die Zukunft bringt, der Samen jedenfalls ist gesät. (U.S.)