Vielleicht liegt es an den nostalgisch anmutenden, an die elektronische Avantgarde der späten 70er erinnernden Synthieflächen oder an der verträumt-entrückten Stimme der Sängerin, sicher aber nicht nur am Titel “Ascent”, dass man sich bereits im Opener von “Vortex & Voices”, dem vor kurzem erschienenen sechsten Longplayer der Bostoner Violet Nox, wie in höhere kosmische Dimensionen emporgehoben fühlt. Gewöhnlich ist das nicht bei einer Musik, die vordergründig alle Kriterien eines sehnsuchtsvollen und zugleich ausgesprochenen tanzbaren elektronischen Pop in den Traditionen der frühen 80er erfüllt.
Die im Kern aus Andrew Abrahamson, Dez DeCarlo und Noell Dorsey bestehende Combo sitzt seit gut sechs Jahren zwischen allen Stühlen und hinterließ ihre Spuren bereits auf namhaften Labels wie Reverb Worship und Gruselthon, auf deren “Enko Landmann’s Empire of the Four Moons”-Compilation ich dann auch erstmals auf sie stieß. Schon auf diesem kurzen Raum konnte man in den poppigen, bisweilen trancig-technoiden Arrangements einen zwar subtil vorhandenen, aber doch wirkungsvollen psychedelischen Subtext spüren, der sich seinen Weg über die Brise Scifi bahnt, die den Songs auf gewisse Weise immer innewohnt.
Auf dem neuen Album machen sich diese Aspekte v.a. in den etwas experimentierfreudigen Momenten bemerkbar, in denen die entsprechenden Songs zwar ihre Pop-Haut nicht ablegen, gleichwohl aber eine gewisse soundscapige, das Songformat an einigen Stellen aufbrechende Qualität offenbaren. Treibende, etwas rauer gestaltete Stücke wie “Chaos” mit seinen zerbrochenen Takten, das nur durch Noells Stimme und ihren feinsinnig introspektiven Text gezähmt wird, ist dafür exemplarisch, oder das spannungsvolle Instrumentalstück “8/8″, das in alarmierender Hast beginnt und sich am Ende in einem rauschenden Ausbruch auflöst. In ähnlich verfremdete Parallelwelten wissen einen Stücke zu entrücken, deren pulsierende Dynamik weitgehend ohne Beats auskommt. “Varda”, das mit seinen rauen Synthies, seiner von Herzblut triefenden Gesangsmelodie und v.a. dem durch seine Arrangements evozierten Erwartung auf einen furiosen Ausbruch eine große Spannung entstehen lässt, ist so ein Fall, und man fragt sich, wie so ein Stück vor 40 Jahren in den urbanen Clubs dieser Welt gewirkt hätte. Oder das auch ohne Beats im Uptempo rotierende “Senzor”, bei dem weiblicher und männlicher Gesang (letzterer wie durch einen Telefonhörer vernehmbar) vor einer Kulisse aus reibenden Sounds eine eindrückliche cinematische Szene oder vielleicht einen ganzen imaginären Kurzfilm entstehen lassen.
Sollte ich einen Song herauspicken, dann wäre es mehr noch als das romantische “Verena” das auf etwas leiseren Sohlen daherkommende, den altnordischen Trickstergott huldigende “Loki”, dessen introvertiert gehauchter Gesang vor ethnolastigen Handdrums, der später zu einem sich emporschwingenden Ornament wird, auch in einem klassischen Streichersetting funktioniert hätte und Assoziationen zwischen ganz frühen Kirlian Camera und Fever Ray weckt.
Sind Violet Nox in ihrer neuenglischenn Homebase bereits eine feste Größe, so lohnt es sich in unseren Breiten noch für viele, sie zu entdecken, und “Vortex & Voices” bietet dafür einen schönen Einstieg. Letztens munkelten die Spatzen auf einem benachbarten Telegraphenmast übrigen schon etwas über neue Aktivitäten des Trios. Unter anderem war die Rede von der Teilnahme an einer Tribute-Compilation zu Rory Erickson und den 13th Floor Elevators die Rede, an der außerdem die Creme de la Creme des alternativen Psychfolk wie Allysen Callery, Adam Cole und Walker Philipps mitmischen sollen. Gerüchte dieser Art sollte man schamlos verbreiten, und wir werden in jedem Fall die Ohren gespitzt halten. (U.S.)
Label: Somewherecold