DAVE SEIDEL: Dream Inside A Dream

Ein verhaltenes Dröhnen, das mit einer spürbaren Zurückhaltung einsetzt, dominiert den Beginn von “Post-Orientalism No. IV: Dream Inside a Dream. Variations on Three Chords by La Monte Young” – eine beeindruckende kleine One-Track-EP, mit der der amerikanische Komponist und Soundartist Dave Seidel dem Minimalisten La Monte Young in Form einer ungeschnittenen Echtzeit-Aufnahme, die auf einem einzigen sechsoktavigen Arpeggio basiert, Tribut zollt. Der Titel des Stücks mag zunächst an Edgar Allen Poe erinnern, doch Seidel bezieht sich vielmehr auf die Filme David Lynchs, die Seidel ebenfalls als große Inspirationsquelle betrachtet.

Recht bald schwillt der einleitende Sound sanft an, wird minimal lauter, bleibt jedoch dezent, übertritt nie die Grenze zum Überwältigenden. Über dieser tiefen Basis tauchen nach und nach obertonartiges Singeln und Sirren auf, später Klänge, die an das Pfeifen einer Orgel erinnern. Die Stimmung des Stücks ist schwer zu greifen: Vielleicht eher gedrückt als gelöst und schwebend, lässt sie eine Umgebung entstehen, die sich langsam zu bewegen scheint und bei genauerem Hinhören subtile Veränderungen zulässt. Ein besonderes Merkmal des Stücks ist die Mehrschichtigkeit der Vibrationen und der Eindruck, dass sich die Klänge über längere Zeiträume wiederholen. Die Lautstärke und Fülle der Klänge schwellen leicht, aber kontinuierlich an und ab und gelegentlich tritt ein plötzliches Knarren oder sanftes Knirschen aus dem Hintergrund hervor, wie ein unerwartetes Geräusch in einem ansonsten stillen Raum.

Laut Seidels Begleittext besteht das Stück aus fünf Zyklen, die durch das Stapeln von Akkorden aus La Monte Youngs “Well-Tuned Piano” gebildet werden. Diese Akkorde werden allerdings nie direkt hörbar, sondern sind als harmonische Aggregate erweitert. Seidel nutzt dafür mathematische Operationen, um aus jedem Ton zwei bis elf neue Töne zu erzeugen. Mit jedem Zyklus werden diese Klangaggregate dichter und komplexer, bis am Ende die zugrunde liegende Tonika hörbar wird – ein Prozess, der das Gefühl von stetigem, fast organischem Wachstum vermittelt.

Label: Post Orientalism Music