MARTIN WEINREICH: White Flares

Vor gut zwei Jahren hatte uns der Kölner Martin Weinreich mit seinem Debütalbum „Points Of Entry (1989-1995)“ uns auf diesen Seiten begeistert: “Unter dem Motto ‘Channeling confusion and fear 1989 – 1995 | This attempt to fix the trajectory was completed in 2020′ wird das Album verstanden als ein elektroakustisches Tagebuch im Nachhinein – mit Einträgen über Entdeckungen, Verwirrung, vage Erwartungen und einige hartnäckige Geister, die sich bisher geweigert haben, zu gehen.’“

Dieses komplexe Debüt arbeitete mit zahlreichen Verweisen und Zitaten, der Nachfolger „White Flares“, erschienen als erste Veröffentlichung auf Weinreichs eigenem kleinen Label Say Blind in einer Auflage von 100 Exemplaren, fällt kürzer (um die 22 Minuten, sieben Tracks), aber nicht weniger gehaltvoll, aus. Diesmal wird der überschaubarere Zeitraum von zwei Jahren („08 2021 – 08 2023“) genannt und die Musik wird verortet als „occult anarchist electronics“. Es geht auf “White Flares” aber weniger um ein so dichtes übergeordnetes Konzept wie noch auf dem Vorgänger, allerdings ist die musikalische Herangehensweise die gleiche geblieben, erzeugt Weinreich doch erneut Musik, die einzig und allein auf Samples basiert. Er schreibt, ihm gehe es um die “Transformation [dieser Samples] in andere Formen, Strukturen und Kontexte”. Diesem Ansatz hatten wir bzgl. des Vorgängers attestiert, “etwas (im positiven Wortsinne) Rätselhaftes” zu erzeugen.

Der Opener „Vent“ arbeitet mit brummenden, teils flächig-ambienten Sounds, die unter der Oberfläche aber immer wieder eine leichte Unruhe ausstrahlen. “Tunnelling” ist noch unruhiger mit knarzenden, hektischeren Momenten, ganz so, als würde ein Specht mit Atemnot kämpfen. Dann endet das Stück mit ein paar Beats. Die in der CD zu findende Beschreibung “blood poisoning done right” eröffnet weitere Fragen, Referenzpunkte. “Illumination Rounds“ ist geprägt von seltsam knisternden und knarzenden Geräuschen, melodischen Passagen im Hintergrund, Stimmen aus einer defekten Maschine. „Red Flares“ ist Reduktion: Minimal Techno meets Dark Ambient. „Vesparax“ ist ein dunkel-dräuend pulsierendes Stück. In den Linernotes dazu heißt es: “red devils. notverpflegung: drei büchsen bier, eine dose river cola, 15 tabletten vesparax.” “Tap Internal“ scheint in einer Höhle aufgenommen zu sein, vielleicht ist eine bearbeitete Stimme zu hören, die Seltsames summt. Diesem Stück haftet etwas völlig Außer-, Unterweltliches an. Den Abschluss bildet „The Flip Side Of The High“, das im Kontext dieses Albums vielleicht dissonanteste, industriellste Stück. Sehr schöne Veröffentlichung. (MG)

Label: Say Blind