SOPHIA DJEBEL ROSE: Sécheresse

Fast drei Jahre nach ihrem introspektiveren Vorgänger “Métempsycose” und ein Jahr nach dem opulenten Album “Intersection” ihrer Band An Eagle in Your Mind kehrt die französische Sängerin und Musikerin Sophia Djebel Rose mit ihrem neuen Werk “Sécheresse” zurück. Das Album vereint neun Stücke, die zwischen Folktraditionen, experimentellem Songformat und – so heißt es zumindest, und ich als jemand mit mäßigen Französischkenntnissen glaube das gerne – avantgardistischer Poesie oszillieren, und entwickelt dabei eine magnetische und über weite Teile schwer klassifizierbare Aura.

Schon der Opener “Au Verger” setzt mit plätscherndem Wasser, lachenden Stimmen, tieftönendem Gesang und entrückten Echoeffekten den hörspielartigen Ton des Albums – ein atmosphärisches, aufgrund subtiler Tempoänderungen drängendes Intro, das einen mit wenigen Mitteln in eine ganz eigene Welt zieht. In “L’Homme au Costume Doré” verbinden sich eine im Wind schwebende Stimme mit orchestralen Loops von einer alten Platte zu einer eleganten klanglichen Szenerie, in der eine versteckte Derbheit und, wenn man der stimme folgt, vielleicht auch in Funke ironischer Gelöstheit versteckt scheint. “Les Amandiers” bringt leicht metallisches Gitarrenpicking und einen wandlungsfähigen (und manchmal leicht trunken wirkenden) Gesang zusammen, der sich frei zwischen rauen und entrückten Momenten bewegt und in ein intensives Crescendo aus aggressivem Keifen gipfelt.

Mit dem etwas längeren “Blanche Biche” liefert die Sängerin einen der Höhepunkte des Albums ab. Das Traditional entfaltet sich von einer initialen Eruption aus spannungsvollen, goldregenartigen Twangs über dröhnende Passagen (die mit ihren langsamen Gitarrenfiguren fast an Acts wie Earth erinnern) bis hin zu einem fiebrigen, galoppierenden Finale aus geschrammelten, weitgespannten Gitarrensaiten. Der mit einer tollen Melodie dargebotene Text basiert auf einem Märchen und erzählt von einer Frau, die sich nachts in eine weiße Hirschkuh verwandelt und vom eigenen Bruder erlegt wird – eine düstere, faszinierende Geschichte aus einer hierzulande wenig bekannten französischen Murder Ballad-Tradition. “Les Géants” und das titelgebende “Sécheresse” dempnstrieren die Vielseitigkeit der Musikerin: Während das eine Stück auf einem ambienten Fundament aufgewühlten Gesang und rudimentäres, beinahe neofolkiges Gitarrenspiel entstehen lässt, entfaltet das andere über knapp elf Minuten eine anfangs pastorale Besinnlichkeit mit Harmoniumdröhnen und lieblichen Gitarren, die sich allmählich in Lärm und Schreie auflöst. Was hier durchweg bestehen bleibt, ist der anrührende Charakter des melodischen Gesangs, den man hierzulande wohl schnell mit Chanson in Verbindung bringen würde – sozialisiert mit der Sprache des Nachbarlandes hat man da wahrscheinlich noch ganz andere Assoziationen, und besonders effektiv ist auch hier wieder der leicht trunkene Zug der Vocals, die das Charisma des Stücks noch unterstreicht.

“Chanson pour un Aimé” bringt als kurzes Interludium mit verwehtem Gesang zarte Kindheitsassoziationen ein, bevor “Pareille au Torrent” pastoral anmutendes Picking und märchenhafte Glocken einsetzt. Den Abschluss bildet “Les Noyes”, das von einer (fast rockigen?) Ballade zu einem furiosen Finale mit feurigem Strumming und eindringlichem Gesang avanciert. Hier zeigt sich Sophia Djebel Rose erneut als musikalischer Freigeist, deren Werk die Grenzen von Genres und Konventionen sprengt. Mit “Sécheresse” legt sie ein Album vor, das roh und raffiniert zugleich ist, düster und leuchtend, und durchaus einzigartig in seiner Tiefe.

Label: WV Sorcerer Productions / Ramble Records / Oracle Records