BLACK LESBIAN FISHERMEN: The Twelve Kalikantzari of Yule

Das Album “The Twelve Kalikantzari of Yule” der Black Lesbian Fishermen ist eine beeindruckende Hommage an die mystische Folklore Südosteuropas. Dieses Projekt, das während der Julzeit auf der griechischen Insel Euböa entstand, stellt zwölf dämonische Wesen, die sogenannten Kalikantzari, in den Mittelpunkt. Inspiriert von Athanasios Veloudios’ seltenem Werk über Kobolde und Luft-Elfen, widmet sich das Projekt diesen schelmischen Dämonen, die zwischen Weihnachten und Epiphanias aus der Unterwelt auftauchen, um Chaos zu verbreiten. Jede der zwölf Kompositionen ist einer dieser Wesenheiten gewidmet, die mit fesselnden Klangbildern und begleitenden Kunstwerken porträtiert werden. Die stets zwischen Psychedelic, Folk und Ritualismus changierende Band, im Kern bestehend aus R. Loftiss, Alan Trench, Nikos Fokas und Stelios Romuliadis und hier unterstützt von einer Vielzahl von Gastkünstlern, schafft es, jeder der zwölf rauen Nächte eine eigene klangliche und erzählerische Identität zu verleihen.

Die Gruppe, die das Album aufgrund seiner stilistischen Einzigartigkeit und auch aufgrund der vielen Gäste genau genommen nur “präsentiert”, hat sich nicht nur audiovisuell, sondern auch kuratorisch hervorgetan, indem sie während dieser Zeit täglich ein Stück über Bandcamp veröffentlichte, begleitet von launigen Beschreibungen der jeweiligen Figur. Diese einzigartige Herangehensweise unterstreicht die liebevolle Detailarbeit und die Freude am Geschichtenerzählen, die das Projekt auszeichnet. Gleich der Eröffnungstitel, der Madrakoukos – einem ziegenfüßigen dämonischen Frauenjäger – gewidmet ist, setzt den Ton. Feierliche Orgelklänge werden ergänzt durch griechische Rezitation und einen dynamischen Wechsel zu Gesang und rhythmischen Gitarren. Die rustikale Authentizität von Giorgos Kariotis’ Stimme hebt diesen Einstieg besonders hervor. Rasseln und Flöten durchziehen die Komposition, während man das Gefühl hat, mitten in einer märchenhaftenen Geschichte voll von anarchisch-zotigem Humor zu stehen. Mit “H Horevtra”, die der Tänzerin und Femme Fatale des Kalikantzari-Mythos gewidmet ist, wird die Atmosphäre düsterer und intensiver. Hier treffen dämonische Schreie auf treibende Rhythmen und orientalisch anmutende Melodien, die eine entfesselte Energie verbreiten. Die klangliche Palette wirkt fast wie ein Ausbruch des Chaos – passend zu der gefährlichen, verführerischen Natur der Horevtra.

Ein Höhepunkt des Albums ist sicher “O Lykokantzaros”, ein Stück, das die feine Balance zwischen archaischer Stimmung und emotionaler Tiefe findet. Evelyna Trenchs junge, klare Stimme, begleitet von dem gezupften Klang eines Psalteriums und einer melancholischen Melodie, verleiht dieser Komposition eine entrückte Schönheit. Doch das Album kennt auch seine ungestümen und chaotischen Momente. In “O Gourlos”, dem Zyklopen gewidmet, der alles zerbricht, führen die Black Lesbian Fishermen in eine Welt voller rumpelnder Geräusche und krächzender Stimmen. Das nächtliche, wilde Treiben wird hier fast körperlich spürbar. Ebenso faszinierend ist “O Triklopodis”, wo ein wilder, neofolkiger Klang auf teuflisches Geschrei trifft, das wie ein Echo aus der Ferne die Szenerie aufmischt. Die meist griechischen, bisweilen auch englischen Texte, oft rezitiert oder in Sprechgesang verpackt, erzählen mit derbem Humor und einer Spur von Schrecken von den Eigenheiten der jeweiligen Kalikantzari. So wirkt der Fäden schneidende Stravolaimis, dargestellt von Alan Trench, nicht nur bedrohlich, sondern auch wie ein subtiler Hinweis auf die Macht des Abschieds und Neubeginns.

Jeder Titel wird begleitet von einem Kunstwerk der auch als Illustratorin aktiven Musikerin R. Loftiss, die durch ihre charakteristischen Linolschnitte im Folk Art-Stil, die immer wieder an Illustrationen aus der Zeit zwischen Art Nouveau und Expressionismus erinnern ohne in eine dieser Schubladen wirklich zu passen, den schelmischen und geheimnisvollen Charakter der Kalikantzari visuell einfängt. Diese Drucke, teils nummeriert und signiert, ergänzen das Gesamtwerk und machen das Album auch zu einem visuellen Erlebnis, und gerade (aber nicht nur) die visuelle Präsentation des froschartigen Vatrakoukos weckt Erinnerungen an die visuelle Seite ihres eigenen Projektes The Grey Field Recordings. Musikalisch beeindruckt die Band durch die Verschmelzung von traditionellen Elementen und solchen einer elektrifizierten modernen Populärmusik meist psychedelischer Prägung. Die Instrumentierung reicht von archaischen Zupfinstrumenten wie dem Psalterium bis hin zu elektrischen Gitarren und Synthesizern. Die Zusammenarbeit mit Künstlern wie den Rezitatoren Giorgos Kariotis und Nikolaos Lymperopoulos bereichert das Projekt zusätzlich, wobei die individuelle Handschrift jedes Mitwirkenden spürbar bleibt.

Am Ende bleibt ein Gefühl der Faszination für die dunkle Folklore und den spielerischen Geist der Kalikantzari, denn die Black Lesbian Fishermen schaffen es, den Spuk dieser dämonischen Wesen nicht nur musikalisch, sondern auch emotional erfahrbar zu machen. Mit “The Twelve Kalikantzari of Yule” haben sie ein Werk geschaffen, das gleichermaßen unterhält und inspiriert und das man kaum erwarten kann, in der nächsten Julzeit wiederzuentdecken. (U.S.)