MIKI YUI: As If

Miki Yui ist eine in Düsseldorf lebende japanische Musikerin und Künstlerin, die mit ihrem aktuellen Album “As If”, erschienen einmal mehr beim Schweizer Label Hallow Ground, erneut ihre seit Jahrzehnten beeindruckende Fähigkeit unter Beweis stellt, subtil hypnotische Klangtexturen zu entwerfen. Yuis Werk bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Sounddesign, elektronischer Komposition und Klangkunst und ist unseren Lesern eventuell bereits durch ihr Album “Aperio!” und ihren Beitrag zur Compilation “Seitō: In the Beginning, Woman Was the Sun bekannt. Auf “As If” entfaltet sie eine minimalistische, aber umso faszinierendere Ästhetik, die sowohl introspektiv als auch explorativ wirkt.

Bereits der eröffnende Track “Ur” versteht mit seiner spacigen, klar und griffig produzierten Klangwelt zu bannen. Geheimnisvoll und repetitiv entfaltet sich der Track langsam, und man schlüpft in die Rolle des Entdeckers, der eine fremde Welt mit Neugier erkundet. Die hypnotische Qualität der wiederkehrenden, feinsinnigen Elemente erzeugt eine atmosphärische Dichte, die sich mit etwas verbindet, das eine leise Sci-Fi-Affinität sein könnte – als tauchte man ein in die Tiefen eines fiktiven Weltraums, aus zahlreichen Geschichten bekannt und doch ohne zu wissen, was einen erwartet. Das anschließende “Summer Night” startet mit einem elektrifizierten Knistern und ebenso elektrifizierten Zikaden, während surreal anmutendes, perkussives Klappern an Echos in einer Tropfsteinhöhle gemahnt. Das Label beschreibt diesen Klang als die Stimmung eines tropischen Sonnenuntergangs, doch selbst in dieser scheinbaren Idylle tummeln sich kleine und größere Störgeräusche, die dem Ambiente eine unterschwellige Unruhe verleihen. Hier zeigt Yui ihre Fähigkeit, auch die friedvollsten Szenen mit einer Brechung zu versehen, die ohne bemührt wirkende plakative Kontraste auskommt.

“Generativ” setzt auf eine unruhig vibrierende Klanglandschaft, die zunächst wie eine Dauerschleife wirkt, doch bei genauerem Hinhören offenbart das Stück eine Vielzahl kleiner Details, die sich nach und nach in das Klangbild einfügen. Diese unterschwellige Dynamik macht den Track fast zu einem perfekten Wecker, dem selbst Komatisierte nichts entgegenzusetzen hätten. Ein vibrierendes Dröhnen dominiert “Song 4″, doch anstatt auf ungebrochenen Wohlklang abzuzielen, setzt Yui hier auf eine subtile Sperrigkeit des Soundmaterials und integriert zudem kleine metallische Hochtöner, die das Szenario fast unheimlich erscheinen lassen. Der Track “DoubleHalf 24″ nimmt einen anderen Zugang, beginnt leise und schwebend, als löse er sich langsam aus einem entfernten Raum. Viel kleines passiert dabei recht nah unter der Oberfläche: Zaghafte Bewegungen und fragile Klangpartikel scheinen sich zu formieren, während die Komposition sich nie ganz zwischen Gefasstheit und Unruhe entscheiden will. Gleichzeitig schwingt etwas Monumentales mit – eine halb versteckte Wucht, die wie ein verborgenes Echo im Raum steht und nur punktuell hervorzutreten scheint. Das elektronische Gezwitscher, das sich recht nah am Zentrum des Geschehens einmischt, verleiht der subtilen Komposition eine unbestimmte Lebendigkeit.

Der Abschluss des Albums, “Porcelain”, lässt noch einmal eine schwindelerregende Welt entstehen, in deren kreisenden Synthesizerbewegungen eine Art Taumel entsteht. Yuis Spiel mit unregelmäßigem Tempo lässt einen unsicher werden, ob diese Unregelmäßigkeiten bewusst gesetzt sind oder sich durch die klanglichen Kreisbewegungen zu einer trickreichen Illusion formen. Diese Komposition beschließt “As If” mit einem Gefühl, als hätte man eine komplexe, von subtilen Texturen geprägte Klanginstallation in mehreren nicht willkürlich angeordneten Räumen durchlaufen – eine Räumlichkeit, die zwischen Vertrautem und Fremdem oszilliert und einen ständig in wacher Aufmerksamkeit hält. (A.Kaudaht)

Label: Hallow Ground