Fraglos könnte ein Hiphop-Kenner ganz andere Sachen zu diesem lange vergriffenen Klassiker sagen, und gut möglich, dass es andere Alben dieser Art gibt, die mich ähnlich oder mehr beeindruckt hätten, wäre ihnen ein ebensolcher Sprung über szeneinterne Wahrnehmungsgrenzen gelungen wie Dälek mit ihrem Zweitwerk, das kurz nach der Jahrtausendwende auf Mike Pattons Ipecac-Label erschienen ist. Schnell war die Combo aus Newark, New Jersey, in aller Munde, kollaborierte mit „exotischen“ Bands wie Faust und Zu. Während die regulären Alben meines Erachtens immer noch Hiphop auf untypische Art waren, entstanden auf den Kollaborationen (v.a. auf der mit Faust, auf der die Bands zu einer virtuellen Einheit verschmolzen) ganz eigene Stilhybride. Klischees ließen nicht lange auf sich warten, und so mancher Blog vergaß über den Fragen, ob Dälek nur noch von Hipstern und Intellektuellen gehört werden und ob hier ein Hiphop-Pendant zu Sunn O))) vorliege, beinahe den weiträumigen musikalischen Kosmos.
Dälek spielen einen Sound, der in guter Public Enemy-Tradition sehr auf Soundkollagen gebaut ist, zu ihren Charakteristika zählen ein organisches Klangbild, das rau belassen ist und doch einen gestalterischen Stilwillen erkennen lässt. Dazu kommt immer wieder eine weiträumige Suspendierung typischer Hiphop-Rhythmen durch allerlei kalkuliertes Chaos, in welchem sich dann auch das Andockpotential an zahlreiche „experimentelle“ Musikarten findet. Will Brooks alias MC Dälek ist ein Meister der effekstarken Zurückhaltung, lässt sich gerne in den vielsagenden Zwischenbereich zwischen Rampe und Hintergrund mischen und hat an Vokalakrobatik nur mäßiges Interesse. Zur abgeklärten Stimmung an der Grenze zum Downertum würde etwas anderes auch kaum passen.
War das in den 90ern entstandene „Negro, Necro, Nekros“ noch Ausdruck einer stilistischen Selbstfindungsphase, so hatte die Crew mit „From Filth…“ ihren Sound bereits gefunden und zur Variation freigegeben. Von den Producern Mike Swarmbots und rEK stets mit Sinn für Feinheiten aufbereitet, gebärdet er sich zeitgleich wie hinter einer matt eingefärbten Glasur, so im Opener „Spiritual Healing“ (das später im Zu-Mix ein Eigenleben bekam) oder in „Speak Volumes“, einem von mehreren Metatracks, die das Rappen und Scratchen nebst Attitüde selbst zum Thema haben. Zu den größten musikalischen Fähigkeiten zählt ihre Kunst, Kleinteiliges, Heterogenes, Vertacktes immer in Bewegung und so in Spannung zu halten, was aufeinanderprallt, lässt neue Klanggebilde entstehen, was auseinanderdriftet, endet vielleicht ganz plötzlich in einem wilden Strudel oder verbindet sich zu etwas überraschend neuem. Am meisten Spaß machen fraglos die besonders rumpeligen, unaufgeräumten Stücke wie „…From Mole Hills“, bei dem sich der Zeremonienmeister durch einen Schrotthaufen aus Metallklappern und hintergründigem Dröhnen windet, oder „Heads“, das wie eine NWW-Kollage startet und in einem puren Noisegewitter endet. Fast brav dagegen das Geschrammel a la My Bloody Valentine in „Classical Homicide“.
Ici d’ailleurs hat das gute Stück soeben in schön gestaltetem neuen Artwork neu herausgebracht, die LP enthält eine Bonus-Single mit unveröffentlichten Tracks, die auch auf der CD zu finden sind. Weitere Dälek-Titel werden folgen. (U.S.)
Label: Ici d’ailleurs