SIEBEN: Brand New Dark Age

Gleichwohl das nach einer kurzen initialen Phase als Trio schon bald von Matt Howden solo betriebene Projekt Sieben in den mehr als fünfundzwanzig Jahren seines Bestehens viele kleine Wandlungen und Alben mit eigenen Charakteristika hervorgebracht hat, kann man schon festhalten, dass der in den zurückliegenden Jahren vollzogene Übergang von einem latent folkigen Klang und der dazu passenden melancholisch-romantischen Stimmung zu einem extrovertierten Rocksound den bislang deutlichsten Richtungswechsel markiert – ein Bruch mit dem Potential, eine Fangemeinde zu polarisieren, wozu es allem Anschein nach aber nicht gekommen ist.

Ganz basal gedacht hat sich die kompositorische Herangehensweise Siebens dabei allerdings gar nicht so stark verändert, denn auch heute basiert die Musik primär auf dem Einsatz einer Violine und Matts Stimme, zuzüglich Loops und anderen Effekten. Dass die Violine mittlerweile ein elektronisches Gerät ist, das unter dem Namen Kev so etwas wie ein zweites Mitglied darstellt, und dass die Musik mittlerweile noch mehr wie die einer vollen Band klingt, steht natürlich auf einem anderen Blatt

Auch das vor kurzem erschienene Album “Brand New Dark Age” führt die in den vergangenen Jahren vollzogene Richtung fort und passt auch mit seinen konfrontativ kritischen Texten in die aktuelle Schaffensphase – und, soviel vorweg, in unsere Zeit. Das Album startet rau mit fordernden gebrochenen Rhythmen und einer gequälten Rockstimme, die man aber sogleich als die Matt Howdens erkennt, und auch an den Geigensoli, die wie gewohnt an Gitarrensoli erinnern, erkennt man auch den typischen Violinstil des Projektes. “Fuzzageddon” zeichnet mit seinen verschiedenen Tempo- und Richtungswechseln, die bisweilen fast an Mathrock, gelegentlich aber auch an Noisiges erinnern, das Porträt einer Zeit, die schon vor Jahren in der Dystopie angekommen ist. Das fieberhafte “Feel the fever” kommt vordergründig leichtfüßiger daher mit seinem dribbelnden Takten und den gelegentlichen Pizzicati, doch raues Saitengeschrubbe und eine apokalyptisch anmutende Stimme durch einen Lautsprecher lassen den eingängigen Rocksong, der von einer erwärmten Erde kündet, nicht weniger fatal wirken.

Spannungsvoll vorantastend, dabei aber ohne jede Spur von Schüchternheit, zeichnet “My tribe” mit fast monströsem Sprechgesang ein Porträt eines auf Abwege geratenen Kollektivs, das Menschen aus vielen Ländern vertraut erscheinen dürfte. Wie ein solcher Song sich wohl im UK der vergangenen Monate angefühlt haben mag? In all den rauen Klängen und dem Lärm, der wie der in einen Strahl gebündelte Sound von Sirenen, berstendem Glas und tausend Schreien klingt, ist trotzdem über die Melodie eindeutig Sieben erkennbar. “There is a Zed” richtet seinen Blick nach Osten. In dem nach vorn preschenden Tempo und der zugleich gespenstisch langsamen Rezitation entsteht der Eindruck, dass es kaum Richtungen gibt, in denen noch eine Flucht lohnt, nur die zünftigen Rocksoli in der zweiten Hälfte lassen ein wenn auch zwiespältiges Gefühl von Vertrautheit aufkommen.

Mit der Zeit und vor allem nach mehrmaligem Hören zeichnen sich immer deutlicher markante und originelle Schwerpunkte in den einzelnen Songs heraus, die das Album zwar nach wie vor wie aus einem Guss und doch keinesfalls eindimensional erscheinen lassen. Es gibt luftigere Stücke wie “Stay the Hand”, die vielleicht sogar noch etwas folkiges anklingen lassen und mit einem ohrwurmartigen Gesang brillieren, andere dagegen erinnern in ihrer Effektunterlegtheit fast an düstere Elektroniker kanadischer Prägung, so z.B. “Programme of Entertainment”, eines von mehreren Stücken, die sich mal tänzelnd, mal hechelnd, mal als kraftstrotzende Rockbretter, technischen und medialen Fragwürdigkeiten unsere Zeit annehmen.

Das Album, dessen Titel leitmotivisch durch mehrere Songs geistert, endet mit der Ratlosigkeit verzweifelter Fragen und unguter Prognosen – Worten, mit denen man morgens in den Tag starten sollte: “What do I know of anything? When rivers and kindness flow. Unmissable. Unsayable. This dawning Modern Age smacks hard, hacks better nature. Has dangerous drivers. I fear for us all, this can only end one way. I fear for our world, for what we can never replace”. (U.S.)

Label: Redroom