Die italienische Experimentalmusik der 70er Jahre war ein Schmelztiegel aus Avantgarde, Elektronik, Prog und spirituell ausgerichteten Soundscapes, geprägt von visionären, experimentierfreudigen Künstlern, die oft die Grenzen der bis dato gängigen Musikarten sprengten. Das junge Musikportal Minimalismo Mediterraneo hat vor einigen Tagen eine Mixcloud-Sammlung mit ausgewählten (und zumindest z.T. international weniger bekannten) Beispielen zur italienischen Experimentalmusik der 70er zusammengestellt, über die man sich einen kleinen Einblick in das Thema verschaffen kann. Einer der vertretenen Künstler, den wir jüngst erst über eine seiner Reissues thematisiert hatten, ist überraschenderweise Alvin Curran, ein amerikanischer Komponist mit starkem Bezug zur italienischen Szene. Er war Mitbegründer der Gruppe Musica Elettronica Viva in Rom und erforschte experimentelle Klangwelten zwischen Elektronik und, wen überrascht es, Feldaufnahmen.
Claudio Rocchi aus Mailand begann als Psych-Rocker, wandte sich aber später introspektiv-meditativen Klängen zu. Franco Battiato aus Sizilien, vielleicht der bekannteste der hier vertretenen Namen, wurde für seine elektrisierende Verschmelzung von Minimalismus, Elektronik und Pop bekannt, seiner Ästhetik lagen spirituelle und philosophische Ideen zugrunde. Der Neapolitaner Luciano Cilio erschuf fragile, kammermusikalische Werke, die durch eine melancholisch-verhuschte Schönheit bestechen, während Lino Capra Vaccina, wieder ein Lombarde, mit perkussiven und oft gleichsam meditativen Kompositionen eine eigene Klangsprache entwickelte. Franco Leprino aus Rom kombinierte akribisch komponierte Elektronik mit oft als impressionistisch beschriebenen Elementen, während Egisto Macchi, ebenfalls Römer und neben seiner Filmmusik auch ein Meister der Library Music, stimmungsvolle Szenarien entstehen ließ. Der Violinist Giusto Pio aus Veneto war ein langjähriger Weggefährte Battiatos und bewegte sich zwischen Avantgarde und orchestralem Pop. Schließlich brachte das Projekt Albergo Intergalattico Spaziale aus Rom eine außergewöhnliche Verbindung von improvisierter Elektronik, ebensolchem Jazz und futuristischen Klängen hervor. Allen gemein war damals eine Suche nach neuen Ausdrucksformen, die bis heute inspirierend wirkt und selbstredend dazu beigetragen hat, dass Italien nach wie vor eines der produktivsten Länder ist, wenn es um experimentierfreudige Musik unterschiedlichster Art geht. Auf der unten verlinkten Sammlung finden sich ausgewählte Stücke von allen genannten Künstlern.